Plädoyers im Stasi-Prozeß verschoben

München (ap) — Die Plädoyers der Bundesanwaltschaft im Stasi-Prozeß vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht in München sind auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach dem Zeugenauftritt des früheren Spionagechefs der DDR, Markus Wolf, am vergangenen Donnerstag waren die Schlußvorträge der Anklagebehörde ursprünglich für Wochenbeginn angesetzt worden. Der Staatsschutz-Senat entschied hingegen am Montag, noch weitere Zeugen aus dem Bundesverteidigungsministerium zu hören.

Die zusätzlichen Zeugeneinvernahmen sollen klären, welcher Schaden für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik durch die Preisgabe der Jahresberichte Ost des Bundesnachrichtendienstes (BND) über den Zustand des Warschauer Paktes entstanden ist. In dem Prozeß wird dem früheren BND-Mitarbeiter Alfred Spuhler und seinem Bruder Ludwig vorgeworfen, die Berichte an die DDR geliefert und dadurch Landesverrat in einem besonders schweren Fall begangen zu haben. Der einstige Stasi-Offizier Harry Schütt sowie der mutmaßliche Agent Günther Böttger sind in dem Verfahren wegen Beihilfe zum Landesverrat angeklagt. Ihr früherer Vorgesetzter Markus Wolf hatte im Zeugenstand eine Ehrenerklärung für die beiden Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung im Ministerium für Staatssicherheit abgegeben.

Der Wert des von 1972 bis 1988 an die Stasi gelieferten Materials wurde in dem Prozeß von verschiedenen Zeugen sehr unterschiedlich eingestuft. Nach Auffassung der Anwälte hatten die beiden Sachverständigen jahrelang dem BND angehört. Der Senat, der noch im Februar verfügt hatte, daß kein Mitarbeiter des Pullacher Dienstes als Gutachter eingesetzt werden dürfe, lehnte die Befangenheitsanträge dagegen am Montag als unbegründet ab.