Neulich...

■ ...unter Riesen: Gibt es eine gute Größe?/Von Höhen und Tiefen und speziellen Empfindsamkeiten

Das Leben ist, wie viele meinen, hart und ungerecht. Aber bloß wir Kleinen wissen: es ist auch noch hoch und schlecht.

Es war Abend im Leben einer Reporterin. Ein Abend voll von Höhen und einer Tiefen, das war ich: draußen im Flughafenrestaurant, auf dem Ball des „Clubs langer Menschen“ und eines einsamen Herzens. Auf freiem Feld schliefen schon tief die Flugzeuge. Drinnen aber ging's hoch her, zum Tanze tobte populär ein Quartett.

Jetzt, da alles vorbei ist, war es vielleicht sogar ganz nett, zuerst saßen ja auch noch alle. Und im Sitzen sind ja auch noch alle gleich. Und der Bezirksleiter war auch furchtbar umsichtig, nötigte zur Begrüßung gleich in eine Sesselgruppe — wegen der Rasiersitz-Perspektive meinerseits — und hatte nach eigenen Angaben kein Problem mit Kleinen, also mit mir. Schließlich: Gebe es nicht auch Raucher und Nichtraucher? Doch. Na bitte. Hatte er denn ein Problem mit sich? Och, nur mit der Kürze von Möbeln und Mode; witzigerweise trug er einen extra kurzen Kurzschlips. Gesamtgesellschaftlich ungerecht gegenüber langen Beinen sei aber natürlich noch der zu kleine Fußraum im Auto und das zu niedrige Dach, wenn's am Kopf liegt. Plötzlich richtete sich der Bezirksleiter zu einem vollen Sitzriesen auf: Neulich, auf der Internationalen Automobil-Ausstellung, da habe einer vom CLUB am Stand von Mercedes laut gerufen: „Mercedes, was tust du denn für die Langen?!!“ Und da habe Mercedes gar nichts mehr gesagt.

Endlich geleitete er mich zum Festausschußtisch, und tapfer schlug ich mir meinen Weg durch einen dichten Wald von Verwunderung, was wollte ich auch hier!? Schließlich: War ich nicht eine wandelnde Ursache ihres Problems und doch gleichzeitig selbst zu bedauern? Zur Not, sagte ich mir, gehe ich, ein Meter sechsundfünfzig, als angeheiratete Ehefrau durch. Denn lieben nicht große Männer kleine Frauen? Hatte nicht Herr R. vom Festausschußtisch, damals in Marburg, als er zwar schon 1.96, aber noch jung und freibeuterisch war, eine klitzekleine Bolivianerin geliebt? Jedenfalls, als er noch nicht heiraten wollte?

„Setzen Sie sich lieber schnell hin!“, empfing mich seine Gattin, angeheiratete 1.73, verständnisvoll am Festausschußtisch. Sieben weitere Lange blickten impertinent verlegen. Frau R., endlich nicht mehr die Kleinste, tröstete sachkundig. Hätten's denn große Frauen nicht viel schwerer? Naja. Dochdoch! Welcher Mann wolle wirklich übertrumpft werden? Herr R. hätte sich schließlich hier im Club der Langen eine Frau aussuchen können, nicht wahr; aber er hat dann doch sie, Frau R., genommen. Auch wegen der Kindergröße. Der gemeinsame Sohn, jetzt 17, sei nur ein bißchen über 1.90, also schon aufnahmefähig in den Club, was er aber nicht wolle. Meine Nachbarn zur Rechten waren leichtfertig gewesen und mußten das Wachstum des Sohnes bereits künstlich und wie zur Strafe abkürzen.

Wir spielten noch andere paarweise Größenunordnungen durch und das Problem zu langer Arme und zu kurzer Ärmel und was große Größen kosten. Weswegen man clubmäßig in den Fünfzigern auch noch um Steuererleichterungen für Lange gebettelt hatte. Heute, gab Herr R. zu, wüßte er auch nicht mehr, warum man in den Club der Langen wollen sollte außer zum gleichlangen Tanzen einmal im Jahr.

Ein Weile sprachen wir mit noch über die spezielle Empfindsamkeit der Großen, was man bei Karikaturen in der Festschrift zu berücksichtigen gehabt hatte: Herr R. hatte an lange Kerls gedacht, die dem Roland auf den Kopp kloppen sollten, war damit aber nicht durchgekommen. Dann wurde das lange Buffet eröffnet.

„Kommen Sie doch mit“, ermunterten die beiden freundlichen Gatten den kleinen Gast von der Presse. Aber, was soll ich Ihnen sagen: Auf einmal standen sie alle. Und der Weg war so weit. Da taten sie mir leid. Also blieb ich sitzen. Claudia Kohlhase