Ein Märchen

■ Der Mensch und die Geduld

Einmal, als Gottvater noch auf Erden wandelte, wollte er prüfen, wer am meisten aushielt. Er prüfte den Stein, aber der Stein hatte keine Geduld. Er zersprang. Er nahm andere Dinge: Eisen, Kupfer, Holz und andere haltbare Dinge, aber alle zerbrachen. Nicht einmal die Erde hielt. Auch sie bekam Risse. Da wandte sich Gottvater zu den Tieren. Er suchte die stärksten Tiere aus, die es gibt: Löwen, Bären, Wölfe und andere Raubtiere, und prüfte sie, ob sie wohl Geduld hätten.

Aber wahrhaftig, keins von diesen Tieren besaß diese Gabe.

Da wandte er sich zum Menschen. Er prüfte ihn lange. Aber der Mensch hatte Geduld. Er war das einzige, von allen geschaffenen Wesen, das Geduld besaß. Und so ist es. In wieviel Kümmernissen, in wieviel Elend man auch steckt — es geht dennoch. Man kann so arm sein, daß man keine Schuhe mehr an den Füßen und kein Essen für den Tag hat, und es geht trotzdem. Wir können mit ansehen, wie unsere Kinder sterben, und dennoch halten wir aus. Ja, bald vergessen wir auch... aus: »Taikon erzählt Zigeunermärchen«, dtv