Schön, teuer und totalüberwacht!

Das Nürnberger Frankenstadion könnte heute gegen Wales sein vorerst letztes Länderspiel erleben Das „schönste Stadion der BRD“ ist eine architektonische Meisterleistung mit zu vielen Stehplätzen  ■ Aus Nürnberg Falk Madeja

Plötzlich zischt es, dann glüht es feuerrot und eine Rakete jagt aus scheinbar anonymer Menge ins Giftgrüne des Rasens vom Nürnberger Frankenstadion. Dann meldet sich auf einmal der Stadionsprecher: „Meine Damen, meine Herren, der Raketenwerfer wurde soeben gefaßt.“ Verblüfft schweigen die maximal 53.462 Zuschauer im nagelneuen Frankenstadion, um unverzüglich in enthusiastischen Applaus auszubrechen.

Das komplett überdachte Frankenstadion, in dem heute abend die bundesdeutsche Fußball-Auswahl ihr entscheidendes Europameisterschafts-Qualifikationsspiel gegen die kantigen Waliser austrägt, gilt als eines der schönsten Stadien Deutschlands. Vollkommen zu Recht. Die Tribünen überbrücken optisch wundersam leicht die Tartanbahn, so daß die achteckige Arena wie ein echtes Fußballstadion wirkt. Der Nürnberger Architekt Günther Wörlein hat ein filigranes Bauwerk geschaffen, das die nahegelegenen Aufmarsch- Protzkästen aus der Hitler-Zeit angenehm kontrastiert. Leichtigkeit kontra wahnwitzige Wucht.

Doch das Schmuckkästchen hat einen 23.000fachen und einen millionenschweren Haken. Die Leichtigkeit der Stadion-Konstruktion kontrastiert nämlich genauso mit der schmerzhaften Prise Größenwahn bayerisch-fränkischer Politiker. Die Halbmillionenstadt Nürnberg will sich unbedingt mit der doppelt so großen Dorfopole München messen. Wenn schon die mitteleuropäischen Karten neu gemischt werden, dann soll sogar aus Franken ein eigenständiges Bundesland werden — heißt es in Nürnberg.

Da paßt es gut, wenn die eigentlich mittelmäßige Enten-Mann- Schaft nun seit historischen Bundesliga-Wochen vor dem FC Bayern München steht. Ein volles Stadion bringt dem fränkischen Bundesliga- Club jetzt immerhin um die eine Million Mark bei einem Zuschauerschnitt von über 35.000 — damit lassen sich dann irgendwann auch noch bessere Spieler kaufen als Pflügler, Eckstein und Zarate.

Allerdings hat das Stadion 23.460 Stehplätze, und das sind für internationale Spiele genau 23.460 zu viel. Uefa und Fifa wollen internationale Spiele bald nur noch in reinen Sitzplatz-Stadien erlauben, angeblich würde es dann keine Ausschreitungen und Krawalle mehr geben. Für das Spiel gegen Wales werden deshalb die Oberränge der Nordwest- und Südwestkurve zu Sitzplätzen umgerüstet, 2.500 Zuschauer dürfen dadurch weniger kommen. Der DFB signalisierte bereits: Im jetzigen Zustand erlebt das sündhaft teure Frankenstadion von Nürnberg sein letztes Länderspiel.

Ein weiterer Umbau dürfte aber kaum finanzierbar sein, bisher hat der Spaß schon 68 Millionen Mark gekostet, 16 Millionen mehr als ursprünglich geplant. Denkmalschutz und fehlerhafte Planungsunterlagen sollen Schuld daran sein. Der Freistaat Bayern sagte bislang noch nicht zu, sich an der Zwölf-Millionen-Differenz zu beteiligen. Die Stadt Nürnberg muß bislang 34 bis 42 Millionen von der Gesamtsumme zahlen, dabei hat die Stadt schon jetzt Schwierigkeiten mit ihrem finaziellen Budget.

Ohnehin hätte man das ursprünglich 1923 erbaute Frankenstadion nicht völlig neu errichtet, wenn sich in den 86er Kommunalwahlkampf nicht der bekannte DDR-Spion F.J.St. eingemischt hätte. Strauß sah für seinen CSU-Kandidaten eine gute Chance, den Oberbürgermeister-Sessel zu erobern. Bei der publicity-trächtigen Einweihung eines Nürnberger U-Bahnhofs versprach Strauß, daß der Freistaat mitzahlen würde, später war immerhin noch von der Hälfte die Rede. Die CSU verlor die Wahl, und nun behauptet der seitdem oberbürgermeisternde Peter Schönlein (SPD), daß er damals „die Initiative ergriff und mit der Forderung nach einem Stadion- Neubau an die Öffentlichkeit trat“.

Kaum ist allerdings das Fußball- Stadion von Nürnberg fertig, da will die Stadt daneben für eine abermalige Riesensumme noch ein Eisstadion bauen: für 35 Millionen Mark. „Dabei ist das Frankenstadion noch nicht einmal abbezahlt“, stöhnte Klaus-Peter Murawski, Fraktionschef der Grünen. Die Stadt will dafür zwölf Millionen Mark rausrücken. Da die Grünen dabei nicht mitspielen wollen, tun sich dafür wieder SPD und CSU zusammen — Nürnbergs Franken vom 1.FCN spielen ja schließlich auch in schwarz-roten Trikots.