Gipfel in Harare will Demokratie fördern

Treffen der Commonwealth-Staaten unter neuen Vorzeichen/ Menschenrechte statt Sanktionen gegen Südafrika im Mittelpunkt  ■ Aus Harare Willi Germund

„Was wir dringend brauchen, ist ein neues Denken: Das Problem zu ignorieren, wird in die Katastrophe führen.“ Eine schlichte Bilanz der Entwicklungshilfe, die der „Club of Rome“ in seinem Jahresbericht 1991 formuliert. Auf der Suche nach neuem Denken und frischen Ideen zumindest für den Rest dieses Jahrhunderts treffen sich ab heute in Simbabwes Hauptstadt Harare die Staatsoberhäupter und Vertreter der fünfzig Mitglieder des Commonwealth. Eine Mischung aus Demokraten und Despoten, die im Grunde nur eine Gemeinsamkeit besitzen: Sie alle waren einmal Teil des britischen Kolonialreiches.

Ausgerechnet dieses Sammelsurium von verschiedenen Staaten ist vielleicht mehr als andere internationale Institutionen geeignet, Ansätze des „neuen Denkens“ zu formulieren, die auch die dritte Welt einbeziehen. In den Mitgliedstaaten leben mit 1,4 Milliarden Menschen nicht nur ein rundes Viertel der Weltbevölkerung. Mit Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland sitzen auch Länder der „ersten“, der industrialisierten, reichen Welt den Habenichtsen aus Afrika gegenüber. Außerdem haben sich die Grundlagen der Diskussion gründlich verändert. Das letzte Treffen vor zwei Jahren hatte noch vor dem Hintergrund der Blockbildung in Europa stattgefunden; die Sanktionen gegen Südafrika waren ein zentrales Thema. Diesmal werden demgegenüber Menschenrechte und Demokratie im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Bei einer Mehrheit der Mitgliedstaaten scheint die Bereitschaft gewachsen zu sein, Abstriche am bisher ehernen Prinzip der Nichteinmischung zu machen.

Sanktionen gegen Menschenrechtsverstöße

Bereits am Montag endete eine Menschenrechtskonferenz von 14 der 16 afrikanischen Commonwealth-Staaten. Gefordert wurde die Einrichtung einer ständigen Konferenz der Organisation zur Überwachung der Menschenrechte. Außerdem wurden Sanktionen gegen die Mitgliedsländer verlangt, die gegen die Menschenrechte verstoßen oder in denen eine demokratische Regierung mit Gewalt gestürzt wurde. Geplant ist auch, daß Ende des Monats eine Commonwealth-Delegation als Beobachterin bei den Wahlen in Sambia anwesend sein wird. „Demokratie, Menschenrechte und Entwicklung sind Kernpunkte“, meint denn auch ein Commonwealth-Funktionär und fährt fort, „aber man kann keine Demokratie auf Hunger aufbauen.“ „Demokratie und Freiheit“ aber werden auch nach den Erwartungen eines Offiziellen in Simbabwe im Zentrum der neuen Beschlüsse des Commonwealth stehen. Wieviel davon umgesetzt wird, steht auf einem anderen Papier. Das Ende des kalten Krieges und der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus werden bei dem Treffen in Harare nicht ohne Wirkung bleiben. „Statt Ideologien werden jetzt Brot- und Butter-Fragen im Mittelpunkt stehen“, glaubt der Vertreter des Gastlandes, „und wir müssen uns diesmal damit ehrlicher auseinandersetzen als bisher.“ Doch beim entscheidenden Punkt, dem Geld, wird auch diesmal der gordische Knoten kaum durchschlagen werden. Zwar wollen alle entwickelten Länder des Commonwealth auf mehr Hilfe für ihre mittellosen Partner drängen. Ob solche Bemühungen aber reichen, die etwa vom „Club of Rome“ befürchtete Katastrophe zu vermeiden, ist mehr als zweifelhaft.

Ein Lager der Reichen, ein Lager der Armen

Fast alle Investitionsmittel, so stellt der Club fest, fließen derzeitig Richtung Osteuropa. Die langfristige Folge dieser Entwicklung und die augenblicklichen Tendenzen der Weltwirtschaft, so der „Club of Rome“, lauten: „Eine Polarisierung zwischen einem kleinen Lager von Reichen (bis zum Jahr 2025 etwa 20 Prozent) und einem großen Lager von Armen und Frustierten“. Eine der Folgen schon jetzt: Etwa 1,3 Millionen Menschen gelten als ernstlich krank oder unterernährt.

Das Thema Südafrika schließlich, das bei früheren Treffen im Mittelpunkt stand und zu heftigen Kontroversen führte, soll jetzt, wenn es nach dem Wunsch des britischen Premiers John Major geht, zum letzten Mal auf der Tagesordnung stehen. Er möchte, daß der Commonwealth alle Sanktionen gegen Südafrika aufhebt. Ein Vorhaben, das nicht so einfach durchzusetzen sein wird. Doch selbst Südafrikas Widerstandsbewegung „African National Congress“ kommt mit einem Plan zur phasenweisen Beendigung der Sanktionspolitik nach Harare. In dem Maße, wie Pretoria den Übergang vom Apartheidregime zur Demokratie vorantreibt, sollen auch Boykotte und Handelsbeschränkungen abgebaut werden. Die Mehrheit der Commonwealth-Mitglieder scheint offene Ohren für diese Vorstellungen zu haben. Ein hoher Funktionär von Simbabwes Außenministerium zeigte sich im Vorfeld der Konferenz denn auch optimistisch: „Wir werden uns auf die Gebiete konzentrieren, in denen Übereinstimmung herrscht. Die strittigen Fragen lösen sich mit der Zeit von selbst.“