Sprengstoff bei Elefantenhochzeit

Der Krupp-Coup ist noch längst nicht gelaufen/ Hoesch-Beschäftigte sagen nein zur Übernahme durch Krupp/ Aufgeladene Atmosphäre während einer Arbeitnehmerkonferenz in Dortmund  ■ Aus Dortmund Walter Jakobs

„Da können wir nicht so ganz dran glauben, daß das nur von Cromme mit der West LB eingestylt worden ist. Deswegen müssen wir fragen, wer hat seine Finger da noch drin?“ Als Werner Nass, Betriebsratsvorsitzender der Hoesch AG, am Dienstagmorgen in der Mehrzweckhalle auf dem Gelände der Hoesch-Westfalenhütte diese Frage stellt, spitzen die circa 1.200 gewerkschaftlichen Vertrauensleute ihre Ohren. Gern wüßten sie, wer den geheimen Kauf der Hoesch Aktien durch Krupp politisch begleitet hat. Doch gesicherte Erkenntnisse liegen zu dieser höchst brisanten Frage nicht vor.

„Ministerpräsident Johannes Rau hat gesagt“, so fährt Werner Nass fort, „daß er erst nach dem Hoesch- Vorstand informiert worden sei. Dies muß man erst mal so zur Kenntnis nehmen.“ Viele der Versammelten quittieren diese Sätze mit Gelächter. Der Zweifel, die Landesregierung könne „das Schurkenstück“ (Nass) des Krupp-Chefs Gerhard Cromme, könne die „Mafia-Methoden des Krupp-Managements“, so die SPD-Betriebsgruppe, von Anfang an gefördert haben, sitzt tief. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Einert, der schon nach den ersten öffentlichen Meldungen die Zwangsehe als „durchaus positiv“ begrüßt hatte. Eine Aussage, die für die Hoesch-Vertrauenskörperleitung „von einer Dummheit ohne Ende zeugt“. Die Vertrauensleute sind sich mit Werner Nass einig, daß „wir alleine bleiben wollen, weil wir alleine eher überleben können als in einer Vergewaltigungsehe“. Mit dem gerade diskutierten „Hoesch-Konzept 2000“ will man sich den neuen Marktherausforderungen stellen, offen für Kooperationen mit anderen sein, nicht jedoch für Zwangsfusionen. In Dortmund sind alle davon überzeugt, daß Hoesch — und nicht Krupp — das wirtschaftlich stärkere Unternehmen und für die Zukunft besser gerüstet ist.

Damit die Chancen für die Unabhängigkeit gewahrt werden können, wollen sie alles tun, um die landeseigene „Westdeutsche Landesbank“ (West LB) daran zu hindern, ihre insgesamt 12 Prozent Hoesch-Aktien an Krupp weiterzuverkaufen. Bisher verfügt Krupp selbst erst über 24,9 Prozent. Weitere 23 befinden sich im Besitz von mit Krupp verbündeten schweizerischen Banken. Um an die Mehrheit zu kommen, ist Krupp also auf die West LB angewiesen. Bis zur Vorlage einer prüffähigen Konzeption, das haben Rau und Finanzminister Schleußer den Betriebsräten am vergangenen Freitag versprochen, wird es keinen Verkauf durch die West LB geben. Deren Chef Friedel Neuber sitzt bei Krupp im Aufsichtsrat und hat bei dem Geschäft eine Schlüsselrolle gespielt. Auch Rau ist mit Krupp eng verbunden. Er gehört neben Berthold Beitz und dem früheren Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl zu dem siebenköpfigen Kuratorium der „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung“, die mit 74,99 Prozent Hauptgesellschafterin der Krupp-GmbH ist. Wie es in der Satzung heißt, legt das Kuratorium „die Grundsätze für die Verwaltung des Stiftungsvermögens fest, überwacht ihre Ausführung und bestimmt die Verwendung der Vermögenserträge“. Zwar ist für die laufende Verwaltung des Stiftungsvermögens der zweiköpfige Stiftungsvorstand zuständig, aber das Kuratorium ist das oberste Beratungs- und Entscheidungsgremium der Stiftung.

Daß der Krupp-Deal an Rau trotz dessen herausragender Position im Krupp-Gefüge vorbeigegangen sein soll, bezweifeln nicht nur viele Hoeschianer. So behauptet etwa der 'Spiegel‘ trotz aller Dementis der Düsseldorfer Staatskanzlei: „Rau war eingeweiht.“ Ganz koscher scheint die Rolle des Ministerpräsidenten nicht einmal dem Dortmunder Oberbürgermeister Samtlebe zu sein. Unter dem tosenden Beifall der Vertrauensleute warb Samtlebe gestern dafür, „zwischen Cromme und der West LB einen Graben zu ziehen, den keiner überqueren kann“. Er vertraue zwar Johannes Rau, sagte Samtlebe, aber „wir sorgen alle dafür, daß er auch nicht einen Millimeter von dem abgehen kann, was er gesagt hat“. So unzweideutig hat selten ein Genosse den Düsseldorfer Regierungschef öffentlich festgelegt. Am Donnerstag soll zunächst einmal mit einer Großdemonstration in Dortmund der Graben ausgehoben werden. Daß die West LB den ohne großen Schaden für die Düsseldorfer Regierung noch überqueren könnte, steht nicht zu erwarten. Arbeitsminister Hermann Heinemann, als einziger aus dem Rau-Kabinett am Dienstag in Dortmund anwesend, bewies eine feine Nase. „Für mich“, so der sichtlich geknickte Minister, „sammelt sich hier Sprengstoff an.“ Danach eilte Heinemann, zugleich Chef des gößten SPD-Bezirks Westliches Westfalen, nach Düsseldorf, um seinem Regierungschef und der SPD- Fraktion von dem explosiven Gemisch zu berichten.