Der bewaffnete Frieden

■ SPD lud zur Diskussion »Wehrpflicht oder Berufsarmee« ein/ Wehrgerechtigkeit kein Thema für den Bund

Neukölln. Weder Studien, Statistiken noch Milchmädchenrechnungen beeindruckten den Kapitänleutnant Thomas Schwarz. Es habe nie zu viele Wehrpflichtige gegeben und werde sie auch in absehbarer Zeit nicht geben. Deswegen stelle die Frage nach der zukünftigen Wehrgerechtigkeit auch dann kein Problem dar, wenn im Jahr 1994 die Bundeswehrstärke auf 370.000 Mann reduziert worden ist.

Studien, nach denen in den kommenden Jahren nur ein Drittel der Tauglichen zum Wehrdienst herangezogen werden könnten, bezeichnete Schwarz schlichtweg als eine Aneinanderkettung von Falschmeldungen. Immerhin habe ihm der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium ganz andere Zahlen und Ausblicke gegeben: »Und ich wüßte nicht, warum er mir nicht die Wahrheit gesagt haben soll.«

Auf einer Diskussionsveranstaltung der Neuköllner SPD zum Thema »Wehrpflicht oder Berufsarmee« am Dienstag abend wurden die Referenten und DiskussionsteilnehmerInnen nicht müde, ihren Friedenswillen zu betonen. Ebenso einig waren sie sich aber nicht mehr, als es darum ging, wer wie und überhaupt warum den Frieden verteidigen soll. Für den Vertreter des Berliner Standortkommandos steht fest, daß es zur Wehrpflicht keine Alternative gebe. Er habe einen Horror vor einer Berufsarmee, die einen »Staat im Staat« darstellte, keiner »zivilen Kontrolle unterworfen« sei und nicht mehr — wie seiner Meinung nach eine Wehrpflichtigenarmee — »Spiegelbild der Gesellschaft« sei.

Er mußte sich allerdings die Frage gefallen lassen, wie denn sein Horror vor einer Berufsarmee zustande komme, da er, wie alle anderen Entscheidungsträger, als Offizier auch Berufssoldat sei.

Daß Wehrpflichtige das Bild der Bundeswehr prägen und damit Einfluß auf die Armee haben, hielt Roland Schnell von der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner für blanken Hohn. Vielmehr sei es umgekehrt, denn das Militärische präge die Gesellschaft. »Das Militär bringt den Leuten bei, nicht zu denken, sondern zu gehorchen, und Befehle dürfen erst nach dem Krieg verweigert werden«, meinte Schnell. Dazu müsse man sich immer wieder fragen, welche strukturelle Gewalt von der Bundeswehr ausgehe. So wollte sich Schnell überhaupt nicht auf die alternative Fragestellung einlassen. »Es gibt nur die Frage, ob wir eine Armee brauchen oder nicht.«

Für Schwarz dagegen ist eine Armee notwendig, nicht etwa um Konflikte zu lösen, sondern um »einen Freiraum für politische Konfliktlösung zu erhalten«. Nur ein Genosse gab dem Offizier darin recht, daß die Bundeswehr Spiegelbild der Gesellschaft sei. »Hier wie dort gibt es die Hiwis und diejenigen, die das Sagen haben.« lada