Fucking Deadly

■ Soul in Dublin: „The Commitments“ von Alan Parker

Dublin heute: eine Stadt im Würgegriff von Arbeitslosigkeit und katholischer Kirche. Teenager fristen ein trostloses Dasein. Derek und Outspan haben eine vage Sehnsucht: Sie wollen eine Band gründen. Aber was sollen sie spielen?

Ihr Freund Jimmy hat eine Version von bezwingender Einfachheit: „Wir werden ,Dublin Soul‘ spielen.“ Dublin Soul, was soll das sein? Jimmy, der Visionär weiß es: eine Synthese aus dem Lebensgefühl der Arbeiterklasse und Sex. „Fucking Deadly!“ stimmen beide ihm begeistert zu (in der Synchronisation heißt das „Saugut!“): Vom ersten verstehen die beiden eine Menge, vom zweiten hätten sie gern mehr. Außerdem vertrauen sie Jimmy. Der hat Erfahrung im Musikgeschäft: Er verkauft Platten auf dem Flohmarkt.

Fortan laufen die Milchgesichter durch Dublins Straßen und beherzigen das Credo James Browns: „Say it loud, I'm black and I'm proud!“ Mit der Suche der übrigen Bandmitglieder nimmt Jimmy es genau: Es reicht nicht, daß sie musikalisch sind, sie müssen auch Soul haben. Die neuen Bandmitglieder sehen zwar nicht so aus, als hätten sie ihn schon. Aber sie strengen sich mächtig an. Jimmy jedenfalls, der Trompeter, der vielleicht schon mit Elvis, Otis Redding und Wilson Pickett gespielt hat, besitzt ihn massenhaft. Er weiß auch einen Namen für die Band: „The Commitments“. Verpflichtungen, Bindungen, leider auch Verbindlichkeiten: Darum wird es von nun an für die Bandmitglieder gehen (ein bißchen Religion steckt auch mit drin). Alsbald sind auch die drei schnuckligen „Commitment-terres“ rekrutiert, für Backgroundgesang und Gefühlsverwirrung ist gesorgt. Die Band ist bereit für den ersten Auftritt im Gemeindehaus. Lebensperspektiven bahnen sich an. „Ich bin lieber ein arbeitsloser Musiker als ein arbeitsloser Rohrverleger.“

Der Romancier Roddy Doyle, ein irischer Lehrer, hat diese Figuren erfunden. Er weiß, wie sie reden und wie sie sich fühlen. Daß die Musik nicht nur ein Fluchtpunkt aus der Alltagstristesse, sondern zu einer wirklichen Perspektive wird, erzählt er mit wenig Pathos und viel Humor.

Alan Parker verdirbt die Sache nicht. Er ist eigentlich schon zu alt für den Soul und zu jung zum Sterben, mit Musikfilmen (Fame, The Wall) hatte er bislang wenig Glück. Hier beweist er nun ein sicheres Gespür für Klangfarben und Rhythmen, Harmonien und Mißklänge und: im Repertoire der „Commitments“ ist wenig Platz für die Fließband-Hits aus Motown, der ungeschliffene, erdige Stil, der bei „Stax“ und „Atlantic“ gepflegt wird, liegt ihnen mehr (eine der schönsten Nummern ist ihre Version von Arethas I never loved a man the way that I love you).

Ganz nebenbei erzählt der Film auch seine eigene Produktionsgeschichte: Wie findet man in Dublin junge Leute, die nicht nur musikalisch sind, sondern auch Soul haben? Kaum zu glauben, daß die Darsteller fast ausnahmslos Laien sind, so lückenlos ist ihr Zusammenspiel, so nahtlos der Übergang von der eigenen Spielfreunde zu der der Figuren. Die Vision vom Anfang ist eingetroffen: die „Commitments“ sind Fucking Deadly. Gerhard Midding

Alan Parker: The Commitments , Drehbuch: Roddy Doyle u. a. nach einem Roman von Doyle. Mit: Michael Aherne, Robert Arkins, Angeline Ball u.a., Irland 1991, 123 Min.