Kroaten skeptisch gegenüber Moskau

Moskauer Waffenstillstand schon gebrochen/ BRD erkennt Pässe Sloweniens und Kroatiens an  ■ Aus Bupapest Roland Hofwiler

In den kroatischen Kampfgebieten konnte man gestern nur über das Radio vernehmen, daß in Moskau ein neuer Friedensprozeß mit einem sofortigen Waffenstillstand eingeleitet wurde. Innerhalb von vier Wochen sollen Friedensverhandlungen beginnen, bei denen die Sowjetunion, die USA wie auch die EG vermitteln sollen. In Den Haag reagierte man etwas verschnupft auf das von dem serbischen und dem kroatischen Präsidenten Milosevic und Tudjman sowie von Gorbatschow unterzeichnete Memorandum: „Wir halten an dem Jugoslawien-Gipfel am Freitag fest“, erklärte der niederländische Außenminister.

In den Kampfgebieten war von dem neuerlichen Frieden nichts zu spüren, und die Öffentlichkeit reagierte zurückhaltend. Der auflagenstärksten Zagreber Tageszeitung 'Vecernji list‘ war der Moskauer Gipfel in der gestrigen Mittagsausgabe nur wenige Zeilen wert: „Zuerst Waffenstillstand und dann wie gehabt.“ Das regierungsnahe Blatt 'Vjesnik‘ listete seinerseits auf: Jeder Waffenstillstand habe nur eine Verschnaufspause gebracht, damit der Krieg danach mit unverminderter Härte weitergeführt werden konnte. Seit gestern Mittag jedenfalls werden wieder heftige Angriffe auf die seit Wochen eingschlossene Stadt Vukovar an der Donau gemeldet. Das gleiche gilt auch für Nova Gradiska an der Autobahn Zagreb — Belgrad und für Ilok im Grenzdreieck Kroatien, Bosnien, Serbien.

Selbst Präsident Franjo Tudjman kommt in seiner kroatischen Heimat immer mehr unter Beschuß. Er verhandle zuviel, schreiben fast einhellig die Zeitungen, und er drücke sich vor einer „Angriffsoffensive“ gegen Serbien. Dies fordern immer offener die Generäle Martin Spegelj und Veljko Tus, die beide im kroatischen Oberkommando das Sagen haben.

Slowenische Medien enthüllen in diesen Tagen mehrere Strategie-Papiere der Bundesarmee, nach denen die Generalität nicht mehr bereit sein soll, eine Abspaltung der nördlichsten Republik widerstandslos hinzunehmen. Der oberste Gerichtshof Jugoslawiens erklärte denn auch Anfang der Woche den Abzug der Armee aus Slowenien als verfassungswidrig. Zwar vermuten viele Slowenen kurzfristig nicht mit einem Militärschlag, halten sich aber mit längerfristigen Prognosen zurück.

Freuen können sich Slowenen und Kroaten über eine Entscheidung der Bundesregierung in Bonn. Kroaten und Slowenen können mit den neuen, republikeigenen Reisepapieren nach Deutschland einreisen. Außenminister Genscher forderte sogar visafreien Reiseverkehr mit diesen Ländern. Ob damit eine Vorform der diplomatischen Anerkennung Kroatiens und Sloweniens geschaffen wurde, mochten politische Beobachter in Bonn nicht ausschließen.