Brosamen für polnische Nazi-Opfer

Nach jahrelangem Gefeilsche zahlt Bonn 500 Millionen Mark für eine Stiftung, aus der 700.000 KZ-Opfer und Zwangsarbeiter entschädigt werden/ In Polen hält sich die Begeisterung in Grenzen  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Nach jahrelangem Zerren und Feilschen, Verschieben und Aussetzen, Drohen und Erpressen hat es die Bundesregierung nun geschafft: Die polnische Regierung gibt sich damit zufrieden, daß Bonn nicht mehr als 500 Millionen Mark in eine „Stiftung deutsch-polnische Versöhnung“ zahlt, aus der „besonders geschädigte Opfer nationalsozialistischer Verfolgung“ entschädigt werden sollen.

Überdies bezeichnet Warschau im Gegenzug die Entschädigungsfrage als „endgültig geregelt“ und verpflichtet sich, keine weiteren Ansprüche mehr zu erheben. Beides steht in einem Notenwechsel, den das Bundeskabinett gestern beschlossen hat.

Um die etwa 700.000 noch lebenden polnischen Opfer Nazideutschlands — dazu zählen neben ehemaligen KZ-Opfern vor allem Zwangsarbeiter — mehr symbolisch zumindest mit 2.000 Mark einmalig zu entschädigen, hatten die Grünen und die SPD immer wieder Bundesmittel in Höhe von etwa eineinhalb Milliarden Mark gefordert.

Das vom Kabinett beschlossene Drittel dieses Betrages soll nun in drei Jahresraten in die Stiftung eingezahlt werden. Die erste Rate von 250 Millionen Mark wird sofort überwiesen, die zweite Rate von 150 Millionen und die dritte von 100 Millionen will man jeweils zum ersten Juni des darauffolgenden Jahres folgen lassen. Kriterien für die Entschädigung „besonders schwer geschädigter Opfer“: Schwere Gesundheitsschäden und eine aktuelle wirtschaftliche Notlage. Näheres legt ein polnischer Stiftungsrat fest.

Eine weitere Forderung hat das Bundeskabinett nicht erfüllt, die außer der Bonner Opposition und den Polen sogar die Koalitionsfraktionen gestellt hatten: Deutsche Firmen, die in der Nazizeit von den polnischen Zwangsarbeitern profitiert haben, werden nicht herangezogen, um die Stiftung mitzufinanzieren. Regierungssprecher Dieter Vogel bekundete gestern dazu lapidar: Die Bundesregierung lade die betreffenden Firmen auch in dem deutsch-polnischen Notenwechsel „herzlich ein“, sich an der Finanzierung der Stiftung zu beteiligen. Damit sei ihr Auftrag erfüllt.

Bereits Anfang dieses Jahres hatten CDU/CSU/FDP im Bundestag von der Bonner Regierung in Sachen Zwangsarbeiterentschädigung verlangt, sie solle bis Ende Juni „Kontakt mit der Privatwirtschaft aufnehmen, um festzustellen, ob diese sich an Zahlungen beteiligen werde. Gestern, fast ein Jahr später, wußte der Sprecher des damit beauftragten Finanzministeriums allerdings noch nicht einmal, ob sein Haus diesen Kontakt überhaupt aufzunehmen versucht hat.

Die polnische Öffentlichkeit hat den deutsch-polnischen Beschluß sehr kritisch aufgenommen: „Billige Versöhnung“ betitelte eine Jugendzeitung ihre Meldung darüber. Der Vorsitzende des „Verbandes der Opfer des Dritten Reiches“ forderte, daß die deutsche Industrie noch etwas drauflege. Jerzy Anafasjew, ein Mitglied des „Verbandes der KZ- Kinder“ erklärte vor Journalisten, der Beschluß sei ein „Ausverkauf unserer Ansprüche“. Man wolle „eine wirkliche Entschädigung und keine Almosen“.

Die tschechischen und sowjetischen ehemaligen ZwangsarbeiterInnen müssen noch länger warten. Nach Auskunft von Regierungssprecher Vogel wird in Bonn über ihre Entschädigung erst einmal verhandelt.