Urdrü's wahre Kolumne: Bildet Banden! Befreit Kiesi!

JungautorInnen im taz-Publikum erhalten heute mal authentischen Stoff für ihren nächsten Roman, damit sie endlich die Begrenztheit ihrer eigenen Erfahrungswelt für ihre literarischen Versuche verlassen können. Als thematische Vorlage bieten wir kostenlos und unverbindlich eine dramatische Spekulationen anregende Episode an, die sich in einer Kleinanzeige im gestrigen GRÖPELINGER WOCHENBLATT so niederschlug: „Wer hat am 14. Oktober gegen 9 Uhr in der Heidbergstraße/ Wischhusenstraße einen Schlafsack mit Michael- Jackson-Aufdruck gefunden? Belohnung!“

Einen entschieden größeren Verlust als ihren Schlafsack meldete gestern BILD-Leserin Christa aus Köln anläßlich der Trauerfeierlichkeiten für Gerd Höllerich alias Roy Black: „Mit ihm verliere ich meine Jugend!“ Aber Christa! Für solche Fälle gibt es doch in jedem Fundbüro die Wildecker Herzbuben...

Kleingarten-Verbandschef Johann Dreyer bittet dieser Tage die hochverehrte Lokalpresse, einen Hinweis auf die Möglichkeit zur Anmietung von Seniorengärten am Schwanenblumenweg zu veröffentlichen. Begründung: „Die Fluktuation ist aufgrund des höheren Lebensalters bei diesem Pächterkreis etwas stärker.“ Ein Gedanke, der anläßlich der bevorstehenden Volkstrauer- und Gedenktage auch von Jüngeren vorausschauend erwogen werden sollte!

Die wahren Sensibelchen dieser Stadt hocken im Kreiswehrersatzamt an der Falkenstraße. Die Rekrutierungsstelle für jene, die man zur Vermeidung von Strafe nicht Mörder nennen darf, öffnet ihre Pforten am 2.Nov. für die künftigen Panzergrenadiere Hinz und Kunz zum „Tag der Information“. Sinn und Zweck der Veranstaltung wird so erklärt: „Um eventuelle Ängste vor der Musterung abzubauen, werden die Mitarbeiter der Musterungskommission jede einzelne Station erläutern, insbesondere im Bereich des Ärztlichen Dienstes.“ Aber, aber! Junge Krieger, die schon vor dem kritischen Blick auf Nabelbruch, Senk- und Spreizfuß oder Hoden-Status Bammel haben —wie sollen die überhaubt mit Aussicht auf Gut Schuß Milz oder Stammhirn des Gegners erfolgreich über Kimme und Korn ins Visier nehmen? Und wer schon beim Blutproben-Piekser in den Daumen aufjault — wie soll der noch den Weg mit hängendem Gedärm ins Feldlazarett finden? Zur Mittagszeit gibt es am Info-Tag noch einen kräftigen Eintopf — vermutlich aus der Gulaschkanone, der einzigen Waffengattung, die mehr Soldaten als Zivilisten ins kühle Grab bringt...

Wer hier ein seelsorgerliches Wort zu Ampel oder Schwampel erwartet, mag sich getrogen sehen. „Aus dem Chaos aber erhob sich eine Stimme und sprach: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen!“ Und ich lächelte und ich war froh, und es kam schlimmer...

Als Herzensbotschaft der Marktwirtschaft plakatiert derzeit eine Bremer Bank „den Sparbrief mit 8,5 Prozent als idealen Liebesbrief“. Geahnt haben wir das ja schon, aber muß man sich so offen dazu bekennen?

Ulrich Reineking-Drügemöller

P.S.: Solidarität mit Hermann Kieselhorst! Bildet Banden, befreit Kiesi!