Schwerpunkt ist der Programmteil

Kölns 'Stadtrevue‘ feiert ihren 15. Geburtstag/ Kampf gegen Sexismus verloren  ■ Aus Köln Bettina Markmeyer

Die Beamten des BKA hatten zu ihren gelegentlichen Durchsuchungen der Kölner 'Stadtrevue‘ einen langen Weg. Bevor sie ihre Finger nach anschlagsrelevanten Papieren ausstrecken konnten, mußten sie sich durch einen mit Fahrrädern und anderen Rostlauben zugestellten, schummrigen Gang fädeln. Die Redaktion der letzten selbstverwalteten Stadtillustrierten befindet sich in einem Hinterhaus an der Maastrichter Straße mitten in Köln. Fünf RedakteurInnen, ein Dutzend freie AutorInnen und noch einmal knapp zwanzig Leute für Layout, Büro und Anzeigen feiern in diesem Monat den 15. Geburtstag der Kölner Monatsillustrierten.

Die erste Hausdurchsuchung — nämlich jene nach dem berühmt gewordenen „Mescalero“-Nachruf — bemerkt der Chronist in der Jubiläumsausgabe trocken, habe dem Blatt zu dem Ruf verholfen, eine kritische Zeitung zu sein. Über die Stadtgrenzen von Köln hinaus dürfte die 'Stadtrevue‘ aber vor allem wegen ihrer Kampagne für Ingrid Strobl nach deren Verhaftung im Dezember 1987 erinnerlich sein. Daß das Blatt als Organ der Kölner Szene(n) nach wie vor funktionstüchtig ist, bewies es zuletzt während des Golfkriegs, als es mit kostenlosen Sonderausgaben die Anti-Kriegs-Aktionen vernetzte. Lokales Polit-Highlight waren Enthüllungen über einen Bauskandal, der schließlich einen Bezirksbürgermeister seinen Posten kostete. Gleichwohl lag der Schwerpunkt des Blattes von Beginn an nicht auf politischer Berichterstattung, sondern auf dem Service-, Kultur- und Kleinanzeigenteil. Immerhin leistet sich die 'Stadtrevue‘ eine eigene Filmredaktion und einen umfangreichen Kunst- und Literaturteil in jeder Ausgabe. Damit ist sie recht dicht dran am Kölner Kulturgetriebe. Doch bewahre auch der solide gemachte, kritische Kulturteil die Illustrierte nicht davor, mäkelt in der Jubiläumsausgabe der 'Stadtrevue‘ ein Ehemaliger, recht erfolglos dem Zeitgeist hinterherzujagen. Denn jener Geist tummle sich vorzugsweise „in der Gestalt der jüngsten Therapeuten- und Paarkultur auf den letzten Seiten“. Wohl war, da tummelt er sich mit meditativen Konzerten, meditativem Tanz und meditativer Meditation. Selbst die stocknüchterne Verena Krieger gibt in ihrer Jubiläumslaudatio zu, daß auch sie die 'Stadtrevue‘ jeden Monat genau hier, also von hinten zu lesen anfängt. Fazit des einstigen 'SR‘-Redakteurs und Medienkritikers, Dietrich Leder: „Die einen kaufen die Zeitschrift wegen und die anderen machen sie trotz des Tageskalenders und der Kleinanzeigen. So hat alles seine Ordnung...“

Im November 1976 erschien die 'Stadtrevue‘ zum ersten Mal. Mit ihrem Konzept setzte sie sich von den durch politisches Engagement und weitgehend unbezahlte Arbeit getragenen Gegenöffentlichkeitsblättern wie dem 'Kölner Volksblatt‘ ab. Als „profitorientiertes Unternehmen“ unterwerfe es sich, verkündete das neue Magazin, den Marktgesetzen „im guten wie im schlechten“. Und: „Eine profitorientierte Zeitung lebt von Anzeigen, nicht von Leserkunden.“ Heute bezieht das monatlich erscheinende Blatt, wie andere Zeitschriften auch, 65 Prozent seiner Erlöse aus Anzeigen. Die 'Stadtrevue‘ gehört der Belegschaft. Wie die taz ist sie in ihrer Verlegerfunktion als Verein organisiert, der Einheitslohn liegt jedoch mit knapp 2.000 D-Mark netto deutlich höher, und die 'Stadtrevue‘ schreibt mit einer vergleichsweise hohen Auflage von knapp 31.000 Exemplaren schwarze Zahlen. (Zum Vergleich: 'Prinz‘ in Köln zirka 14.000 Exemplare; 'Kölner Illustrierte‘ (Neven/DuMont) zirka 16.000 Exemplare.)

Und wie jeder Alternativbetrieb hat auch die 'Stadtrevue‘ jede Menge produktive und noch mehr kontraproduktive Kräche hinter sich, davon wenigstens zwei schwere. Infolge des ersten Krachs 1980 machten zwei aus der 'Stadtrevue‘ gefeuerte Redakteure und einige 'Revue‘- Gefrustete ihren eigenen Laden, den 'Schauplatz‘ auf, der jedoch Mitte der 80er Jahre pleite ging. Beim zweiten Krach, 1986 ging's um Essentials: Wie selbständig ist die Redaktion, wer entscheidet, wer hat die Macht? Nach einem halben Jahr Streit und Szenegesprächsstoff setzten sich jene durch, die die Vereinsmitgliedsschaft und damit die Entscheidungskompetenz auf die MitarbeiterInnen des Projekts begrenzt und Polithäuptlinge der Kölner Szene draußen wissen wollten. Der Verein als Verleger jedoch blieb unangetastet. Die Unterlegenen verließen daraufhin die 'Stadtrevue‘.

Auf Grund des hohen Anzeigenaufkommens ist das Blatt auf fremdes Geld nicht angewiesen. Dafür jedoch müssen die 'Revue‘-Herren und Damen, wie sie durchaus selbstkritisch bemerken, beispielsweise den Kampf gegen Sexismus im eigenen Blatt verloren geben — zuletzt gegen den Tabakkonzern BAT und seine „HB“-Werbung. Im Mai dieses Jahres hatten laut Editorial die „'Stadtrevue‘-MitarbeiterInnen“ eine „HB“-Anzeige mit dem Text „Offen für Anzügliches“ aus ihrem Blatt geschmissen, auf der eine nackte Frau mit einem auf die Haut gemalten Jackett zu sehen war. Die BAT-Gewaltigen stornierten nicht nur ihre „HB“- Anzeigen, sondern gleich all ihre Hochglanzwerbung.

Jetzt listete die Anzeigenabteilung „folgende Kosten im Falle einer gänzlichen Ablehnung“ auf: fast 41.000 in diesem und 87.000 DM im nächsten Jahr plus 22.000 DM Gebühren. Macht einen Verlust von 150.000 Deutschmark. Fazit: „Wir haben gegen BAT auf Dauer den Kürzeren gezogen.“ Im Novemberheft wird die Anzeige erscheinen.