Ein Chevrolet in Kasachstan?

■ Nach dem Gipfel in Bangkok: Bonn und Washington instrumentalisieren G-7 und IWF

Ein Chevrolet in Kasachstan? Nach dem Gipfel in Bangkok: Bonn und Washington instrumentalisieren G-7 und IWF

In der Instrumentalisierung des IWF für die eigenen Zwecke sind die beiden Kontrahenten USA und Bundesrepublik auf der Jahrestagung einen ordentlichen Schritt weitergekommen — gegeneinander aber kaum. Dies ist wohl ein besonderes Ergebnis des IWF/Weltbank-Gipfels von Bangkok, der, nicht anders zu erwarten, bis herunter zur Baumgrenze von der Sowjetunion beherrscht war. Zunächst: Die Schmutzarbeit, die Analyse des tatsächlichen Zustandes der UdSSR und die Implementierung von Umstellungsprogrammen, muß der IWF machen. Dies dürfte allen Beteiligten recht sein. Auch wenn sie nicht ausreichen mögen, hat der IWF jedenfalls als einziges Gremium die Instrumente und die Mittel, diese Arbeit anzugehen. Die einzige Alternative, das hat sich in Bangkok gezeigt, wäre eine Selbstheilung der Sowjetunion. Diese Möglichkeit ist aber nicht nur wegen ihrer Auslandsschulden, sondern vor allem wegen des inneren ökonomischen und politische Zustandes der UdSSR irreal.

Über den weiteren gesellschaftlichen Weg der Sowjetunion müssen die Republiken entscheiden. Sie werden sich vermutlich aus schierem Überlebenswillen an die „IWF-Empfehlungen“ halten. Daß diese auf einem Sechstel der Erdoberfläche die weltweit heftigste Strukturkrise der Nachkriegszeit bewirken werden, ist jetzt schon abzusehen. Alternativen zum IWF aber, so sehr der Sowjetunion hier konkurrierende Abgebote zu wünschen wären, gibt es leider nicht.

Die Schmutzarbeit den IWF machen zu lassen, hat für Bonn wie für Washington den Vorteil, die eigene Reputation nicht von der Entwicklung in der UdSSR abhängig zu machen. Daß beide Regierungen die Sowjetunion schnell in IWF und Weltbank sehen wollen, hat aber auch finanzielle Gründe: Die Weltbank verfügt über einen Haushaltsrahmen, der einstweilen genügend Spielraum läßt; und um die IWF-Quotenerhöhung kommt der US- Kongreß auf Dauer ohnhein nicht herum. Bis dahin dürfen die sieben reichsten Industriestaaten (G-7; USA, Japan, Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada) den Retter in der Not spielen und die Überbrückungskredite gewähren, die den Karren davor bewahren sollen, ganz im Dreck zu versinken. Nicht zuletzt, weil hierbei ebenfalls unmittelbare Haushaltsinteressen betroffen sind, reden US- wie Bundesregierung so gerne vom burden-sharing, von der Teilung der Last. Beide kommen um Hilfsmaßnahmen in Milliardenhöhe nicht herum — dann also bitte koordiniert, um bloß die Japaner nicht ungeschoren davonkommen zu lassen. Wie interessengeleitet das burden-sharing ist, zeigt sich zeitgleich am deutschen Nein zu einer Beteiligung am Multilateralen Investitionsfond für Lateinamerika, der von US-Präsident Bush vorgeschlagen worden ist. Der Grund der Bonner Ablehnung: Man habe keine Lust, die Außenpolitik der US-Regierung mitzufinanzieren.

An Rest-Strukturen im ausbrechenden Chaos der Sowjetunion jedoch haben beide Seiten ein ähnliches Interesse. Die USA, weil die UdSSR eine nukleare Supermacht ist. Die Bundesregierung, weil sie sich vor Millionen flüchtender SowjetbürgerInnen fürchtet und die UdSSR bei deutschen Banken mindestens ebenso tief in der Kreide steht wie die Rote Armee in Brandenburg.

Die haarsträubend falschen Zahlen des CIA lassen vermuten, daß Washington über den wirklichen Zustand der Sowjetunion ebenso schlecht unterrichtet ist wie Bonn. Das aber hält beide Seiten nicht davon ab, munter mit diesem Zustand Politik zu machen. US-Finanzminister Brady redete die UdSSR praktisch in den wirtschaftlichen Zusammenbruch — US-Banken haben nur eine halbe Milliarde Dollar Außenstände in Moskau. Bundesfinanzminister Waigel hingegen beruhigte, die Lage sei zwar ernst, aber nicht verzweifelt — deutsche Banken haben unabgesicherte Kredite von sieben Milliarden Dollar ausstehen. Die Wahrheit über die Sowjetökonomie liegt vermutlich irgendwo in der Mitte — aber sicher weiß das derzeit nicht einmal Jawlinski. Die G-7 als rettende Engel, der IWF für die Schmutzarbeit — das macht Sinn für beide.

Die Auseinandersetzungen um die Auslandsschulden können aber durchaus Vorboten des Verteilungskampfes um die sowjetischen Bodenschätze sein, mit denen die UdSSR diese Schulden wird bezahlen müssen. Dann aber hat derjenige die besseren Karten, an den mehr geliefert werden muß und kann — und das ist die BRD.

Später also einmal gute Aussichten für die Deutsche Bank und Mannesmann. Fließt das Öl durch weitere Pipelines und kommt der Außenhandel in Schwung, bekommen auch die Konsumgüterhersteller ihre Scheibe ab. Dann aber mag Brady feststellen, das Sibirien längst an Japan und der Rest an Westeuropa vergeben ist. Warum sollte ein Kasache einen Chevrolet kaufen, wenn er zwischen Daimler, Fiat und Toyota wählen kann?

Dietmar Bartz, z.Zt. Bangkok