1:0 für die Bundesregierung

■ Berliner Verwaltungsgericht entscheidet: Ausfuhrstopp deutscher Chemieanlagen in den Irak ist legal

Berlin (taz) — Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat der Bonner Regierung eine peinliche Schlappe und Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe erspart. In einem gestern verkündeten Urteil (Az.: BVer WG 3 C 45.90) entschied der 3. Senat des Obersten Verwaltungsgerichtes, daß die bundesdeutschen Zollbehörden im August 1984 berechtigt waren, den Export von Chemieanlagenteilen für eine „Versuchanlage“ im irakischen Samarra zu verhindern.

Das Forschungszentrum Samarra gilt als die Keimzelle des irakischen Giftgas-Programmes — aufgebaut auch mit Hilfe der bundesdeutschen Unternehmen Karl Kolb und deren Tochterunternehmen Pilot Plant. Bereits im Frühjahr 1984 berichtete die 'New York Times‘ von CIA-Erkenntnissen, wonach die beiden Firmen seit 1981 Laborausrüstungen nach Samarra lieferten. Von den internationalen Reaktionen aufgeschreckt, erließ die Bundesregierung im August 1984 eine Verordnung, mit der die Ausfuhr von Chemieanlagen, die auch zur Herstellung von Giftgas verwendet werden können, via Genehmigungsvorbehalt verhindert werden sollte.

Auf Grundlage dieser Änderung der Außenwirtschaftsverordnung verhinderte das zuständige Hauptzollamt noch im gleichen Monat eine Lieferung der Pilot Plant im Wert von 1,5 Millionen Mark, die für den Irak bestimmt war. Der Umfang der bereits erfolgten Lieferungen belief sich zu diesem Zeitpunkt schon auf 5,9 Millionen Mark.

Die weltweite Empörung über die deutsche Hilfe beim Aufbau des irakischen Giftgas-Programms hinderte die Manager der zwischenzeitlich aufgelösten Pilot Plant nicht, gegen die Rechtmäßigkeit der Verordnung auf dem Verwaltungsweg zu klagen. Während die Staatsanwaltschaft in Darmstadt wegen eines illegalen Rüstungsgeschäfts ermittelt (in einem Gutachten heißt es, die exportierten Anlagen wurden für die Giftgasproduktion „besonders konstruiert“), fällte erst das Hessische Finanzgericht und, im März 1990, der Hessische Verwaltungsgerichtshof ein Urteil, wonach die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Für den Exporteur des Todes rückte damit sogar ein möglicher Schadenersatz in Millionenhöhe in greifbare Nähe.

Die Klageführer der Pilot Plant hatten insbesondere das „Umlaufverfahren“ beanstandet, das zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes geführt hatte. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte sich dieser Auffassung angeschlossen und bemängelt, daß die Mitglieder der Bundesregierung der entsprechenden Verordnung nicht ausdrücklich zugestimmt, sondern nur eine ihnen zustehende Widerspruchsfrist gegen die Vorlage aus dem Bundeskanzleramt verstreichen ließen. Nach der gestrigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist dieses Umlaufverfahren aber rechtlich nicht zu beanstanden. Das Grundgesetz räume der Bundesregierung das Recht ein, selbst zu entscheiden, in welchem Verfahren sie ihre Beschlüsse treffe. Wolfgang Gast