Baker im Endspurt

■ Der US-Außenminister will in Jerusalem die letzten Hindernisse ausräumen, damit am Montag die Einladungen für die Nahost-Friedenskonferenz zugestellt werden können.

Baker im Endspurt Der US-Außenminister will in Jerusalem die letzten Hindernisse ausräumen, damit am Montag die Einladungen für die Nahost-Friedenskonferenz zugestellt werden können.

Der Empfang für US-Außenminister James Baker in Israel war nicht nur freundlich. Vor dem Amt des Ministerpräsidenten, wo Baker gestern in zwei Gesprächsrunden mit Jitzhak Shamir und seinen Mitarbeitern zusammentraf, wehten Transparente radikaler Siedlergruppen mit Aufschriften wie „Ihr Öl — unser Blut“ und „Nein zu Bakers Angriff“. Die Friedensbewegung organisierte ihrerseits Kundgebungen zur Unterstützung der US- amerikanischen Friedensinitiative. Diese Aktivitäten zeigen, wie tief die israelische Gesellschaft in der Frage der für den 29. Oktober in Lausanne geplanten Nahost-Konferenz gespalten ist.

Mit der frühzeitigen Ankündigung, die Friedenskonferenz werde im Oktober stattfinden, hatte Baker sich selbst unter Druck gesetzt. Die Einladungen sollen, wenn alles glatt geht, am Montag herausgehen. Dem Außenminister Baker muß es daher darum gehen, Hand an die letzten noch offenen Fragen anzulegen. Dazu gehört auch der Dauerbrenner Palästinenserdelegation.

Der PLO-Zentralrat in Tunis, eine Art Mini-Parlament, stimmte gestern einer gemeinsamen palästinensisch-jordanischen Delegation zu. Da das Abrücken von einer eigenständigen Repräsentanz als Nachgeben in einem wesentlichen Punkt verstanden wird, hat die palästinensische Verhandlungsdelegation aus den besetzten Gebieten gegenüber Baker nochmals gefordert, daß auch Persönlichkeiten aus Ostjerusalem entsandt werden können. Wie es hieß, hat der US-Außenminister seinen Gesprächspartnern beschieden, daß dies nicht in Frage kommt.

Aus israelischen und palästinensischen Quellen wurde gestern weiter bekannt, daß Baker darauf bestand, daß die Namen der palästinensischen Delegierten nicht über „PLO-Quellen“ in Tunis an die Öffentlichkeit dringen. Dies ist eine Konzession gegenüber der Regierung in Jerusalem, die in der Öffentlichkeit darauf insistiert, daß die PLO völlig außen vor bleibt. Shamir hatte sich bereits besorgt über die Rolle der PLO bei der Vorbereitung geäußert. Auf die Frage, ob Israel der Konferenz eventuell doch noch fernbleiben könnte, antwortete der israelische Ministerpräsident: „Alles ist möglich."

Die erste Gesprächsrunde Bakers mit dem israelischen Ministerpräsidenten Shamir wurde gestern Mittag ohne Erklärungen gegenüber der Presse unterbrochen und am Nachmittag fortgesetzt. Die israelische Regierung möchte unter anderem durchsetzen, daß die USA ihre Formulierung unterstützt, nach der das Ziel aller bilateralen Verhandlungen mit den arabischen Staaten definitiv Friedensverträge sein müssen. Dies zielt auf die Position Syriens. Staatschef Assad wird hier unterstellt, daß es ihm nur um „Land“ — die 1967 besetzten und später annektierten Golan-Höhen —, nicht aber um „Frieden“ gehe. Der Hintergrund: Die syrische Führung ist bislang nicht bereit, an der geplanten regionalen Verhandlungsrunde, die auf die bilateralen Gespräche folgen soll, teilzunehmen.

Die israelische Regierung möchte außerdem, daß die US-Administration ein Abkommen über den Südlibanon aus dem Jahre 1983 neu bestätigt. Darin wurde festgehalten, daß die israelische Besatzung unter US- amerikanischem Schutz steht und Israel das Recht hat, vor der libanesischen Küste zu patrouillieren. Diesem Geheimabkommen zufolge soll Israel sich erst dann aus dem Südlibanon zurückziehen, wenn auch die syrischen Truppen das nördliche Nachbarland verlassen haben. Im Vorfeld der Konferenz hatte die US-Administration sich nicht bereit gezeigt, das Abkommen zu verlängern und lediglich eine sichere Nordgrenze garantiert.

Schließlich möchte Israel eine wichtige Änderung im gegenseitigen Verständnis-Protokoll (siehe Kasten) durchsetzen. Dabei geht es um die Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaates. Die Regierung in Jerusalem möchte diesen Passus verschärfen und festschreiben, daß beide Seiten aktiv einer Staatsgründung und einem Versuch, „Israel auf die Grenzen von 1967 zurückzudrängen“, entgegenwirken. Zusätzlich wünscht Israel eine Erklärung, in der die Grenzen von vor '67 als „unsicher und nicht zu verteidigen“ bezeichnet werden.

Nach dem Ende der israelisch- US-amerikanischen Verhandlungen wird Baker heute morgen mit seinem sowjetischen Amtskollegen Boris Pankin zusammenkommen, der am Donnerstag in Israel eintraf. Da beide Staaten an der Eröffnungsrunde der Konferenz teilnehmen werden, werden dann vermutlich letzte Absprachen über Einladungen und Termin getroffen werden.

Bis es soweit ist, müssen die UdSSR und Israel erst noch ihre diplomatischen Beziehungen in vollem Umfang wieder aufnehmen — eine zentrale israelische Forderung, die Außenminister David Levy bei der Ankunft Pankins wiederholte. Pankin ging darauf jedoch zunächst nicht ein. Baker selbst wollte ursprünglich noch am heutigen Tag das Land verlassen — es ist jedoch auch denkbar, daß er sich über das Wochenende in der Region aufhält, um weitere, „definitiv letzte“ Gespräche zu führen.

Westliche Diplomaten gehen unterdessen davon aus, daß bei der Einberufung der Nahost-Konferenz keine größeren Schwierigkeiten mehr zu erwarten sind. Eine andere Frage sei jedoch, ob die Konferenz „wirklich von der Stelle kommt“, und „ob das Fehlen von Inhalten, klaren Vorstellungen und Arbeitsprogrammen nicht dazu führen wird, daß die bilateralen Verhandlungen sehr bald zusammenbrechen“. Amos Wollin