Wendt — „Selbstbedienungsladen“

■ Hans-Wendt-Buchhalterin war wegen 13 Einbruchs-Delikten vorbestraft

Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Verantwortlichkeiten im Hans-Wendt-Stiftungs-Skandal einigermaßen geklärt sind. Die Buchhalterin F., soviel wurde gestern beim zweiten Verhandlungstag vor dem Bremer Landgericht klar, hat zwar den Löwenanteil des veruntreuten Geldes — 470.000 Mark — auf ihr Privatkonto abgezweigt, aber so richtig vorwerfen kann man ihr das nicht. „Das ist ja ein offener Selbstbedienungsladen für Sie gewesen“, entfuhr es dem Kammervorsitzenden Richter Fangk. Denn sowohl der Geschäftsführer wie der Vorstand ließen das Betrügerpärchen — neben der Buchhalterin den Verwaltungdirektor Z. — recht unkontrolliert in die eigene Tasche wirtschaften. (vgl. a. den ersten Prozeßbericht, taz 16.10.91)

Wirtschaftsprüfer Teschner, der gestern vor Gericht vernommen wurde, hatte immer wieder nur die „formelle Ordnungsmäßigkeit“ der Buchhaltung überprüft. Er mußte einräumen, daß bei einer solchen Prüfung „ordnungsgemäß gefälschte Belege“ immer anstandslos testiert würden. Nicht einmal Differenzen zwischen der Lohnbuchhaltung und der Finanzbuchhatung waren ihm aufgefallen.

Dennoch hatte er 1986 Verdacht geschöpft: 13.000 Mark fehlten irgendwie in den Büchern, auch waren hin und wieder ganze Seiten aus dem Journal herausgerissen, einzelne Belege fehlten. Die Buchhaltung war regelmäßig um Monate im Verzug. „Nicht so gravierend“ fand der Wirtschaftsprüfer das damals, und ließ sich von der Buchhalterin, deren Arbeit er ja überprüfen sollte, mit Ausreden ruhig stellen. Wäre er auf die Veruntreuung gestoßen, wenn er dem Fehlbetrag damals nachgespürt hätte, wollte der Verteidiger der Buchhalterin wissen. „Ja“, antwortete Wirtschaftsprüfer Teschner knapp und klar. Gegen ihn läuft eine Zivilklage der Hans-Wendt- Stiftung auf Schadensersatz.

Er habe damals den Verwaltungsdirektor auch informiert, versuchte sich der Wirtschaftsprüfer vor Gericht zu rechtfertigen. Der allerdings hatte allen Grund, zu schweigen, da er selbst auch in die Kasse gegriffen hatte. Vor allem aber hätte eigentlich der Wirtschaftsprüfer im Auftrage des Vorstands der Stiftung handeln und sowohl Vewaltungsleiter wie Buchhalterin überprüfen müssen. Der zu kontrollierende Verwaltungsleiter selbst hat aber den Prüfauftrag gegeben und gleichzeitig den Umfang der Prüfung auf dem untersten, rein „formellen“ Niveau zu halten versucht. Während in den 70er Jahren, wie sich Hans-Wendt- Angestellte erinnern, die Wirtschaftsprüfung immer sehr scharf war und alle zwei Jahre der Prüfer wechselte, gab es seit 1979 nur die lasche Prüfung von Teschner.

1982 beschloß der Hans- Wendt-Vorstand, den Wirtschaftsprüfer wieder routinemäßig zu wechseln. Der Verwaltungsleiter beauftragte aber wieder Teschner. 1984 beschloß der Vorstand zum zweiten Mal, den Wirtschaftsprüfer zu wechseln, offenbar setzte aber der Hans- Wendt-Vorstand seine eigenen Beschlüsse gegen den Verwaltungsleiter nicht durch, Teschner blieb solange, wie der Verwaltungsleiter im Amt war.

Auch bei der Einstellung der Buchhalterin hatte der Vorstand, wie sich jetzt herausstellte, 1980 seine Verantwortung für die Stiftungsgelder recht großzügig gehandhabt. Wenn sich der Vorstand damals das polizeiliche Führungszeugnis der Bewerberin F. besorgt hätte, dann hätte er festgestellt: Die Frau, die Buchhalterin werden sollte, war wegen 13fachem Einbruchsdelikt zwei Jahre im Knast gesessen und außerdem wegen Gefangenenbefreiung einschlägig vorbestraft. Da das der Vorstand nicht wußte, hatte er volles Vertrauen zu seiner Buchhalterin.

Während Buchhalterin und Verwaltungsleiter entlassen wurden, hat der Vorstand sein Ehrenamt nicht niedergelegt. K.W.

Plädoyers und Urteil gegen die Buchhalterin am kommenden Freitag, 25.10., ab 9 Uhr