SUBTROPISCHER KURZURLAUB

■ Kommerzialisierung die Freizeit führt zu Boom von Feriengroßprojekten mit weitreichenden Folgen für die Umwelt

Kommerzialisierung der Freizeit führt

zu Boom von Feriengroßprojekten mit weitreichenden Folgen für die Umwelt

VONWOLFGANGSTRASDAS

Eine Welle von Planungen für neue touristische Großprojekte bricht derzeit über die Bundesrepublik herein, einschließlich der neuen Länder. Vorbild sind die niederländischen „Center Parcs“, die seit den frühen achtziger Jahren durch ihren enormen kommerziellen Erfolg — die jährlichen Auslastungszahlen liegen über 90 Prozent — von sich reden machen. Dies steht im deutlichen Gegensatz zu den finanziellen Problemen, mit denen viele der früher gebauten Ferienzentren und Feriendörfer in der Bundesrepbulik aufgrund mangelnder Nachfrage lange Zeit zu kämpfen hatten beziehungsweise noch haben.

Dabei bieten die neuen Ferienzentren eigentlich nichts grundlegend Neues. Neu ist lediglich die Kombination verschiedener Angebotselemente und die Art der Vermarktung. Das Freizeitprodukt von Center Parcs besteht, kurz gesagt, aus der Formel „Subtropisches Erlebnisbad, Ferienbungalow im Grünen, Sport und Konsum“. Unter geheizten Glaskuppeln werden dem gestreßten Kurzurlauber künstliche, „karibische“ Badelandschaften mit Wasserfällen, Rutschen, Wellenmaschinen, Whirlpools et cetera angeboten, das Ganze mit echten Palmen und anderen exotischen Pflanzen dekoriert. Dazu kommt ein ebenfalls überdachter Einkaufs- und Restaurationsbereich, in dem man so ziemlich alles, was man in den Ferien braucht — oder auch nicht braucht —, kaufen kann. Er ist eine Mischung aus Einkaufspassage und Gewächshaus, die man, um den Eindruck eines subtropischen Ambientes noch zu verstärken, mit exotischen Tieren, wie Flamingos, Papageien und Wasserschildkröten, ausstaffiert hat.

Diese zentralen Attraktionen werden ergänzt durch zahlreiche Sporteinrichtungen und befinden sich auf einem ausgedehnten, parkähnlich gestalteten Gelände mit Ferienbungalows und -appartements. Die von den Betreibern selbst gern als „Ferienparks“ bezeichneten Anlagen, in denen man „Urlaub mit der Natur“ verbringen könne, sind in Wirklichkeit Zentren des Massentourismus: 3.000 bis 4.000 Urlauber befinden sich gleichzeitig auf dem oft über einen Quadratkilometer großen Gelände, das sie während eines durchschnittlichen Aufenthaltes von drei bis vier Tagen kaum verlassen. Zudem sehen alle Anlagen ziemlich ähnlich aus: die gleichen Bungalows, die gleichen Schwimmbäder, die gleichen Konsumangebote.

Massenhafter Urlaub mit der Natur

Das Kennenlernen von Neuem, von Natur und Kultur der Region findet auf diese Weise natürlich nicht statt. Aber das wollen die Center-Parcs- Besucher vermutlich auch gar nicht. Man fährt lieber in bekannte Konsum- und Freizeitwelten, in denen Natur eine nette Fassade ist, aber keine Unannehmlichkeiten bereitet. Man möchte für ein paar Tage aus dem Alltag fliehen, aber dabei auf den vertrauten Fernseher, den Supermarkt und die Kücheneinrichtung nicht verzichten.

Ob eine solche Art der Freizeitgestaltung in sozialer und psychologischer Hinsicht „sinnvoll“, das heißt etwa dem persönlichen Wachstum förderlich ist, läßt sich bezweifeln. Die außerordentliche Beliebtheit des von Center Parcs verkauften Rundum-sorglos-Urlaubspaketes spricht jedoch eine deutliche Spache, die man nicht ohne weiteres ignorieren kann. Die meisten Freizeitexperten scheinen sich inzwischen denn auch damit abgefunden zu haben, daß Freizeit ein Konsumprodukt und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden ist. Soziale oder emanzipatorische Konzepte sind „out“. Den Leuten gefalle es in den neuen Ferienzentren — was auch die hohen Wiederkehrquoten belegen — und das müsse akzeptiert werden. Daß die entsprechenden „Bedürfnisse“ vielleicht erst aufgrund der Verarmung unserer Umwelt, vor allem der städtischen, entstanden sind und durch massive Werbung mit Hochglanzprospekten kräftig angeheizt werden, wird auf diese Weise natürlich nicht problematisiert.

Das Center-Parcs-Modell ist mittlerweile von anderen Firmen kopiert worden, und nachdem der niederländische Markt mit insgesamt zwölf solcher Ferienzentren als weitgehend erschöpft gilt, lag es nahe, auch in Deutschland und anderen Ländern ähnliche Projekte zu planen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, daß ein großer Teil der Gäste in den Niederlanden aus der Bundesrepublik stammt. Bereits 1988 sollte der erste Center Parc in Bispingen in der Lüneburger Heide gebaut werden (siehe taz vom 15.10.88). Andere Planungen — insgesamt etwa 30 — folgten in der ganzen Bundesrepublik, schwerpunktmäßig in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und — seit dem Zusammenbruch der DDR — auch an der mecklenburgischen Ostseeküste und in der Umgebung Berlins.

Ein wahrer Bauboom zeichnet sich ab, der zeitweise ähnliche Ausmaße anzunehmen schien wie in den frühen siebziger Jahren, als Teile der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, des Harzes und des Bayerischen Waldes weitgehend planlos mit Ferienzentren im Stil der Trabantenstädte zubetoniert wurden. Dieser Trend wäre vermutlich ungebrochen weitergegangen, hätten sich nicht Bürgerinitiativen gebildet, die an fast allen geplanten Standorten gegen die Großprojekte mobil machen. Sie befürchten nicht nur weitreichende Umweltschäden, sondern auch eine totale Veränderung des sozialen und kulturellen Charakters der meist ländlichen Gemeinden und stellen die von den Gemeindevätern blauäugig erwarteten wirtschaftlichen Segnungen der neuen Ferienzentren in Frage. Es entwickelten sich heftige politische Kontroversen vor Ort, die zu Gerichtsprozessen, schließlich sogar zu Baustopps oder zumindest Bauverzögerungen führten.

Sozial und ökologisch fragwürdig

Allerdings mit dem Ergebnis, daß die Investoren nun an anderen Standorten ihr Glück versuchen. Die Gesamtzahl der in Deutschland geplanten Großprojekte hat keinesfalls abgenommen, aber der „Aufstand der Bereisten“ hat sie in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses und der Medien gerückt. Auch in den bis dahin weitgehend konzeptlosen staatlichen Planungsbehörden, die für die Genehmigung zuständig sind, macht man sich jetzt zumindest Gedanken darüber, wie mit der Flut von Bauanträgen in Zukunft zu verfahren sei.

Unter anderem gab das Bundesumweltministerium eine Studie in Auftrag, die die ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der neuen Ferienzentren untersuchen soll. Diese Studie steht jetzt kurz vor ihrem Abschluß und kommt zu Ergebnissen, die den Befürchtungen der Bürgerinitiativen in vielen Punkten recht geben.

Die Umweltauswirkungen der scheinbar idyllisch im Grünen liegenden Bungalowparks sind komplex und weitreichend. Nicht nur werden zusätzliche Flächen mit Gebäuden, Wegen und Parkplätzen überbaut — und das angesichts der Tatsache, daß an Ferienunterkünften, Schwimmbädern, Tennishallen, Supermärkten und Einkaufspassagen (zumindest in der alten BRD) nun wirklich kein Mangel besteht. Hinzu kommt der hohe Wasser- und Energieverbrauch der beheizten Kunstwelten, sicherlich auch kein Beitrag zur Lösung weltweiter Ressourcenverknappungs- und Klimaprobleme.

Andere Umweltbelastungen hängen in erster Linie mit der Standortwahl zusammen. Es liegt nahe, daß die meisten Investoren landschaftlich reizvolle Gegenden, zum Beispiel in Landschaftsschutzgebieten, für ihr Freizeitprodukt bevorzugen („Bungalowparks in schönster Lage“). Leider sind solche Standorte häufig aber auch ökologisch wertvoll und störungsanfällig. Viele Pflanzengesellschaften und Tierarten — auch in der Umgebung — reagieren äußerst empfindlich auf den massenhaften Erholungsbetrieb.

Eines der größten Probleme stellen die von den Ferienzentren verursachten Verkehrsströme dar: Fast 100 Prozent der Besucher reisen mit dem Auto an. Öffentliche Verkehrsverbindungen existieren in den meist ländlichen Gebieten entweder gar nicht oder werden in den ansonsten aufwendig gestalteten Prospekten der Betreiber nicht erwähnt. Liegen Ortsdurchfahrten auf der Hauptanreisestrecke, dann kommt es für die Anwohner zu erheblichen Lärm- und Abgasbelastungen. Durch eine an ökologischen Gesichtspunkten orientierte Standortwahl, eine strikte Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und technische Maßnahmen zur Energie- und Wassereinsparung wäre es möglich, die negativen Umweltauswirkungen in Grenzen zu halten. Aufgrund des von den Bürgerinitiativen erzeugten öffentlichen Drucks gibt es mittlerweile auch bei den Investoren erste Ansätze in diese Richtung. Doch Umweltschutz kostet Geld und erfordert eine stärker eingreifende Regionalplanung. Beides Bedingungen, die angesichts der chronischen Finanzierungsprobleme vieler Betreiberfirmen — die Investitionskosten betragen bis über 200 Millionen Mark — und der derzeitigen Diskreditierung staatlicher Planung, besonders in den neuen Bundesländern, nicht unbedingt gegeben sind.

Von Befürwortern der Ferienzentren wird häufig das Argument ins Feld geführt, bei guter Planung könnten solche Anlagen Erholungssuchende — die dies auch noch freiwillig tun — auf engem Raum konzentrieren und damit naturnahe Landschaften vom Freizeitverkehr entlasten. Ein solcher Konzentrationseffekt ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man den zunehmenden Trend nach den „kleinen Fluchten“ aus dem langweiligen städtischen Alltag als schicksalhaft gegeben hinnimmt. Ob jedoch ausgerechnet der typische Center-Parcs-Besucher ersatzweise in ein Naturschutzgebiet gefahren wäre, ist zumindest sehr fraglich. Statt kurzfristig kommerzielle „Erlebniswelten“ zu konstruieren, wäre der Umwelt mit der Wiederherstellung des Lebensraumes Stadt sicher besser gedient.

Unqualifizierte, schlecht bezahlte Arbeitsplätze

Auch die wirtschaftlichen Effekte für die Standortregion werden bei weitem überschätzt. Zwar entstehen tatsächlich Arbeitsplätze für die Einheimischen, doch sind sie meist unqualifiziert und schlecht bezahlt. Ein Vergleich ergab zudem, daß mittelständische Fremdenverkehrsbetriebe, also kleine Hotels oder Pensionen, wesentlich personalintensiver sind als Ferienzentren. Was nicht weiter verwundert, handelt es sich doch um eine hochrationalisierte Form des Tourismus, mit der internationale Konzerne eine maximale Rendite ihres eingesetzten Kapitals erwirtschaften wollen. Für die Region bleiben da höchstens einige Brosamen übrig, denn der Wareneinkauf erfolgt meist zentral und die an sich ausgabefreudigen Kurzurlauber lassen ihr Geld größtenteils in den klimatisierten Einkaufsgebieten.

Sinnvoll ist so etwas bestenfalls für Gemeinden, die sonst keine anderen Entwicklungsmöglichkeiten haben. Für traditionelle Fremdenverkehrsgebiete wäre es dagegen auch in ihrem eigenen, langfristigen, ökonomischen Interesse besser, eigenständige Entwicklungspfade einzuschlagen.