Honig für die Seele

■ „Sweet Honey in the Rock“ begeisterten in der Schauburg

Noch nie habe ich etwas Vergleichbares in einem Konzert erlebt. Es gab Auftritte, die mich begeisterten, wo die Musik mich gefangennahm oder mir für Momente den Atem raubte. Aber noch nie war ich so berührt. Auch wenn es pathetisch klingt: Das Herz ist mir aufgegangen. Die fünf Frauen von „Sweet Honey in the Rock“ strahlen eine Würde aus und vermitteln eine Tiefe der Überzeugung, die ihresgleichen sucht. Wenn sie ihre Lieder singen, scheint es, sie durchleben gerade, worüber sie singen. Egal ob es sich um alte Spirituals, Songs der Bürgerrechtsbewegung oder um selbtsgeschriebene Stücke handelt.

Bernice Johnson Reagon, Gründerin und Leiterin des Quintetts aus Washington, beeindruckte nicht nur durch ihre emphatischen Gospel-Interpretationen. Ihr „Leaning and Depending on the Lord“ erreichte eine Intensität, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriß. Die kurzen Statements, mit denen sie die Stücke ansagte und ihren Hintergrund erläuterte, zeichneten sich durch eine sympathische Mischung von Ernsthaftigkeit und Humor aus. Aisha Khalil entflammte das Publikum nicht weniger. Im „Fulani Chant“, einem westafrikanischen Abendgebet, und in Ma Raineys Blues-Klassiker „See See Rider“ steigerte sie sich in eine unglaubliche Emotionalität, die machmal geradezu entrückt wirkte. Ysaye Maria Barnwell wirkt wie eine Amazone. Mit ihrer mächtigen Baßstimme lieferte sie oft das Fundament, über dem sich die anderen Stimmen erhoben oder einander in kanon-artigen Linien umschlängelten. Nitanju Bolade Casel und Evelyn Maria Harris vervollständigen das Quintett.

Sweet Honey berühren aber nicht nur durch ihren mitreißenden A-capella-Gesang. Sie haben etwas zu sagen. In ihren Liedern klagen sie Ausbeutung, Unterdrückung und Rassismus an. Gleichzeitig machen sie Hoffnung und Mut, appellieren an ihre ZuhörerInnen, aktiv zu werden. Sie sind überzeugt, daß eine gerechtere Welt nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist. Sie selbst verstehen ihre Musik als eine heilende Energie. Sweet Honey sind Schamaninnen, die mit ihren Stimmen die Vision einer besseren Welt sichtbar und fühlbar werden lassen. Die ZuhörerInnen in der gutbesuchten Schauburg dankten es ihnen mit nicht- endendwollendem Beifall. Ein unvergesslicher Auftritt. Farina