Wenn Bremen „Halbstark“ mitgröhlt

■ Kollektive Bierseligkeit auf 3.175 Quadratmeter Bayernzelt / Auf dem Stuhl getanzt und auf dem Tisch geschlafen

Wo können BremerInnen auf dem Freimarkt so richtig frei sein? Im Bayernzelt! Während am Sonntag morgen um 11.30 Uhr draußen vereinzelte Menschengrüppchen mit hochgeschlagenen Kragen durch die Budenstraßen streunen, brodelt im Zelt schon das Leben. HanseatInnen lassen in der 3.175 Quadratmeter großen Dependance des weiß-blauen Freistaats jede Zurückhaltung fallen. „Huhu“, gellt es durch die Menge. Arme werden geschwenkt. „Mensch, Hans-Herbert, setzt dich doch zu uns! „ Wieder hat einer seine Horde gefunden. Im Bayernzelt feiert man cliquenweise, haut gemeinsam auf die Pauke.

Ein schnauzbärtiger Kellner balanciert mit traumwandlerischer Sicherheit ein Tablett mit Käsespießen und Radies durch

Saufen bis zum Umfallen: Sie hilft allen, die den Weg zum Biertresen nicht mehr selber schaffen

die Menge. Für fettige Schweinshaxen ist es den meisten noch zu früh. Kellnerinnen im feschen Dirndl, morgens noch verhüllt von Fransentüchern und Strickjacken, tragen eimerweise Hochprozentiges an die Tische. Wer will, kann seinen Alkoholpegel vom Vorabend mit Korn oder Aufgesetztem wiederherstellen.

Für die Polizeibeamten vom 7. Revier, „Außenstelle Freimarkt“ verlief der erste Freimarktsamstag „völlig normal“. Lediglich einige Diebstähle und eine Prügelei mußte Polizeihauptmeister Dieter Braunstein registrieren. Er schiebt zur Freimarktszeit mit dreißig Kollegen Dienst in einem Seitenraum der Eislaufhalle, ein Provisorium, bis die Stadthalle umgebaut ist. Der Freimarkteinsatz ist freiwillig, aber offensichtlich sehr beliebt: „Die meisten kommen jedes Jahr wieder“, weiß Braunstein.

Gleich nebenan weisen Pfeile zur „Bremer Nacht“. Aber in Stadthalle V ist um diese frühe Mittagsstunde noch tote Hose. KellnerInnen mit schicken weißen Schürzen der französischen

hier bitte das

Foto mit der

Bierkrug-Trägerin

Art räkeln sich gelangweilt hinter Sekt- und Shrimpsständen. Die noch morgenmüde Kapelle intoniert „Rote Lippen soll man küssen“, aber keiner wippt mit. Samstag nacht war mehr los. Die beiden Türsteher mußten allerdings „nur fünf bis sechs“ Zecher vor die Tür setzen. Für die beiden 21- und 26jährigen Männer ist „Rausschmeißer“ ein lukrativer Nebenjob fürs Wochenende. Vorkenntnisse werden nicht verlangt.

Im Bayernzelt steigt inzwischen die Stimmmung mit der BesucherInnenzahl. Warmer Dunst von Harrspray, Bierfahnen, Aftershave und Sauerkraut nebelt die große Zeltfamilie ein. Die ersten tanzen bereits auf den Stühlen. Die 55 KellnerInnen bahnen sich nur noch mühsam ihren Weg durch die Reihen. Vierzehn bis fünfzehn „echte Moaß“ kann so ein krachlederner Kerl stemmen. Die 20jährige Stephanie kellnert seit zwei Jahren im Bayernzelt. Etwa acht Stunden ist sie täglich auf den Beinen, sagt sie. Es kann aber auch mehr sein. „Anmache“, Kneifen und Fummeln von angetrunkenen Gästen sind an der Tagesordnung.

Die „Mushroams“ spielen derweil den alten Yankees-Hit „Halbstark“. Alles gröhlt mit. Nur einer nicht, der liegt schon auf dem Tisch und schläft seinen Rausch aus. asp