Preussens Gloria

■ Die seltsamen Methoden des Eishockey-Bundesligisten BSC Preussen auf dem Weg zur Spitze

Charlottenburg (taz). 6.063 Besucher im Heimspiel gegen Mannheim, fast Full House gegen die schwäbische Streusalztruppe aus Schwenningen — die Rechnung des Eishockey-Bundesligisten BSC Preussen geht auf. Verwirrt rätselt die städtische Fachwelt über ihre Eisheiligen aus der Jafféstraße. Als »Geheimfavorit« ('Sportkurier‘) in die Saison gestartet, nahmen die Preussen die Experten beim Wort und münzten den Vorschlußlorbeer in ein stattliches Punktekonto um.

Nun liegt Berlin da, wo es niemand vermutet hätte: hinter Düsseldorf und Rosenheim, den hohen Favoriten der Eliteliga, auch wenn Freiburg am Freitag beim 4:4-Unentschieden einen Punkt von der Spree loseisen konnte. Eifrig listeten die Medien Gründe für Preussens Gloria auf — kotze es, was es wolle. Von Kameradschaft war die Rede und vom Ami-Trainer Craig Sarner. Lässig und gewohnt mürrisch wie ein Ewing vor der ersten Probebohrung thront BSC-Manager Stefan Metz bei Heimspielen hoch droben auf der Pressetribüne der Charlottenburger Eissporthalle. In der Hand einen Kugelschreiber, auf den Lippen stets ein bajuwarisch- herber Kommentar zu Schiedsrichter, Gegner, Gott und der Welt.

Mehr braucht er nicht, der Olympiadritte von 1976, der in seiner Zeit als Verteidiger des Berliner Schlittschuh-Clubs den Hockeystock nie als Rosenkranz ansah. Hart zur Sache geht der smarte Blonde heute erst, wenn die Eishalle leer ist und die Fans das vierte Drittel in der Klubkantine anpfeifen. Dann schaufelt Metz alle wichtigen und unwichtigen Daten in seinen Computer. Der Stadionzeitung vertraute P.C. Metz an, daß er alles über die Kufenflitzer dieser Welt abrufbar habe: von der Spielposition und den Gehaltsvorstellungen über geschossene Tore bis zu »Verwandtschaftsverhältnissen, Lebenswandel und Hobbies« seiner Zielgruppe. So weiß der moderne Jäger und Sammler sofort, welcher neue Spieler dem BSC gut zu Gesicht stünde. Auch wenn sich Datenschützern die Fußnägel aufrollen — der Erfolg gibt Metz Recht.

Ob die Stürmer Schinko (Landshut), Rumrich (Frankfurt) oder Verteidiger Komma (Bad Tölz) — um nur drei der acht Neo-Preussen zu nennen —, sie haben die Abgänge der Gebrüder Birk (nach München), Micheller (Krefeld) oder Silk (USA) hervorragend kompensiert. Und noch jongliert Metz, zum Entsetzen der Konkurrenz, mit dem Trumpfas des vakanten zweiten Ausländerplatzes neben Sarner-Landsmann Tom O'Regan. Neal Broten hat sich nach kurzem Gastspiel Ende Septmeber wieder zu den Minnesota North Stars verabschiedet.

»Wie eine Heavy-Metal-Band« erwartet Chefcoach Craig Starner sein Team. Seitdem er den glücklosen Schweden Dan Hober ablöste, musiziert sein Team derart angriffslustig und schnell, als wolle es einer Dopingkontrolle entwischen. Kampfeslust, Tempo und bestechendes Kombinationsspiel hat der Motivator Sarner seinen Good Boys eingebleut. Manchmal scheinen die Jaffé-Jungs ihre Gegenspieler bis in deren Mannschaftsbus verfolgen zu wollen. Getriezt hat Sarner seine Preussen mit Methoden, wie man sie sonst nur von der Leichtathletin Katrin Krabbe kennt.

Angetan mit schweren Gewichten, mußten Axel Kammerer, Schorsch Holzmann, Marco Rentzsch& Co übers Eis sprinten, bis sie den Zeugwart mit Geld überreden wollten, das bleihaltige Teufelszeug auf dem Müllhaufen der Sportgeschichte endzulagern. Geholfen hat es wenig — abgesehen von einer gesteigerten Grundschnelligkeit im Beruf und einem rasant anwachsenden Prämienkonto. Jürgen Schulz