Teddy for President

Essen (taz) — Alle, alle sind sie da! Petz und Pooh, Emil Grünbär und Balou. Selbst der Kuschel von Kuschelweich schmiegt sich in seine Glasvitrine...

Zu finden sind die mehr als tausend Teddytiere in einer Ausstellung im Essener Ruhrlandmuseum. Dort kann man noch bis Anfang Januar eine höchst eigenwillige Bärenlese goutieren. „Wir wollten mal zeigen, auf welchen Wegen das größte Raubtier der nördlichen Erdhalbkugel zum Schmusegegenstand für kleine Kinder wurde“, brummt zur Erklärung einer der Ausstellungsmacher. Den historischen Überbau kann man sich fast schenken, bekanntlich hat sich längst überall die folgende Erkenntnis durchgesetzt: Bären sind die besseren Menschen! Und weil das so ist, gilt deren Plüschausgabe als unser aller Alter ego und als Projektionsfigur. Aber während die Bären in natura sich unsereinen ausschließlich im Rohzustand zu Gemüte führen, braucht Gevatter Homo sapiens eine Zutat zur zugeneigten Verinnerlichung des Bärentieres. Um seinen Meister Petz zum Fressen gern zu haben, muß mensch ihm erst eine gute Portion Objektlibido auf das Plüschfell schmieren. Dann aber bricht sich die Geborgenheit mit Schmackes Bahn. Der Schmusefaktor erleichtert zum Beispiel den Arbeitsalltag der hartgesottenen New Yorker Cops. Die haben nämlich seit zwei Jahren drei Teddybär-Kollegen in ihren Streifenwagen sitzen. Die Bären-Kleinfamilie gilt als Zaubermittel, um verängstigte Kids, wenn sie Verbrechensopfer wurden, im Akutfall zu beruhigen. Ein Umstand, den des Teddys Mutterfirma mit dem Knopf im Ohr schon zwischen beiden Weltkriegen der deutschen Mutter empfahl: „Können Sie Nestwärme kaufen?“ ließ die Leipziger Teddyschmiede in Anzeigen fragen. Wie auch immer — der „Teddy hilft und trägt bei zu einer fröhlichen und behüteten Kinderzeit“. Nur eine schien derweil vom bärenmarkig induzierten Glück verlassen. Auf einem Ölbild sieht Magarete Steiff, die Ahnin aller Teddys, ihr Geschöpf mit Mißbehagen. Mit Fellpuschen von unbestimmbarem Getier an den Füßen starrt sie finster auf das Knuddelwesen, das ihr die Unsterblichkeit sichert. Teddy reckt ihr grienend die Pfötchen entgegen.

Der fellgewordene Geniestreich der Erfinderin verkaufte sich fünf Jahre nach dem Zusammenfädeln seines Prototyps schon dreihunderttausendfach. Geschuldet war das dem revolutionären „New Deal“ des damaligen US-Präsidenten Theodor Roosevelt. Mr. President verschmähte seinerzeit auf einer Jagd in wahrhaft heroischem Gestus den Fangschuß auf ein wehrloses Bärenbaby. Der ebenso herzensgute wie ungewöhnliche Akt machte schnell die Runde. Nach einem geheimnisvollen Namensgebungsprozeß, der niemals vollständig aufgeklärt werden konnte, hießen fortan kleine Plüschbären wie auch der Präsident: Teddy. Anschließend kamen alle ganz groß raus. So werden halt Mythen geboren. Dennoch wäre aus Jette und Julchen, den beiden Plastetieren vom Stamme der Ossi-Bären, wohl nie was richtig Knuddeliges geworden. Bei ihnen hapert's am haptischen Habitus — sie sind zu hart. Und müßten sich schon von einem Haartrockner erweichen lassen. Denn seit der Erfindung des Föns gilt, was heute noch in der bärenstarken Essener Ausstellung zu lesen ist: „Beim Eisbärjagen hat's nicht schwer, wer den Fön nimmt, statt's Gewehr. Der Bär, vom Fön erhitzt, steigt schnelle, schweißtriefend selbst aus seiner Pelle.“ Thomas Meiser