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Brandstifter und Schreibtischtäter

■ Wird die CDU mit dem Asyl-Wahlkampfthema erfolgreich bleiben?

Brandstifter und Schreibtischtäter Wird die CDU mit dem Asyl-Wahlkampfthema erfolgreich bleiben?

Der Name klingt angesichts der aktuellen Diskussion etwas irreführend, aber man kann dem „Deutschen Fremdenverkehrsverband“ sicher nicht Parteilichkeit in der Asyldebatte nachsagen. Er hat vor ein paar Tagen nur auf etwas sehr Naheliegendes hingewiesen: Daß nämlich Fremdenhaß und Rassismus auf Dauer schlecht für das Geschäft mit den Touristen sind. Wenn schon nicht die Angst der Asylsuchenden vor der Verteilung in eines der neuen Bundesländer, so sollten zumindest die Bedenken der Tourismuslobby den meisten Deutschen nachvollziehbar sein. Denn wer bucht schon gerne zwei Wochen Mallorca mit der denkbaren Perspektive, von Schildern „Ausländer raus“ empfangen zu werden?

Die Entscheidung der CDU, die Asyldebatte zum Wahlkampfthema zu machen, ist die skrupellose Taktik einer Partei, die mehrere Landtagswahlen verloren hat. Diese Taktik ist alt — und der letzte, der sich ihrer bediente, war ein Sozialdemokrat: Oskar Lafontaine im letzten Bundestagswahlkampf. Als der Saarländer seine Felle endgültig davonschwimmen sah, produzierte er mit seiner Forderung nach Einschränkung des Grundrechts auf Asyl noch einen letzten Knalleffekt — sehr zur Freude der CDU/CSU. Denn damit entbehrte die Asylpolitik der SPD endgültig jeder in sich schlüssigen Linie.

Der CDU ist — das zeigt die jüngste Meinungsumfrage des ZDF-Politbarometers — vorerst erfolgreich. Das Thema Asyl beherrscht die Köpfe der Wählerschaft und hat andere Fragen wie Arbeitslosigkeit, Umweltschutz oder den Jugoslawien-Konflikt an den Rand gedrängt. Daß sich mit dieser Strategie diejenigen bestätigt fühlen, die ihren Rassismus mit physischer Gewalt gegen Flüchtlinge, Immigranten — und quasi aus Versehen auch schon mal gegen Touristen — richten, ist in dieser Wahlkampfstrategie nicht gewollt, aber mit einkalkuliert. Anders läßt sich nicht erklären, wie im Bundestag und im Kabinett Überfälle auf Flüchtlinge verbal verdammt, deren Präsenz aber zur Ursache des Problems erklärt wird. Die einen bieten eine Verfahrensverkürzung als Lösung an, die anderen die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl.

Möglich ist allerdings, daß sich die CDU mit ihrem Wahlkampfkalkül verrechnet hat. Denn nun raffen sich — sehr langsam zwar, aber immerhin — gesellschaftliche Kräfte wie Kirchen und Gewerkschaften auf und formulieren ihre Ablehnung gegen den von den Politikern mit angefachten Haß auf Flüchtlinge und andere, die man für fremd hält. Und auch die Sozialdemokraten lassen sich trotz fehlender, fortschrittlicher Konzepte und streckenweise kompletter Konfusion ihrer führenden Köpfe nicht so schnell aus dem Ring drängen, wie CDU-Generalsekretär Volker Rühe sich das gedacht haben mag.

An die Moral von Brandstiftern zu appellieren — vor allem, wenn sie sich bereits im Wahlkampf wähnen — erscheint immer ein wenig naiv. Doch wenn sich die SPD schon den moralischen Part in diesem Schlagabtausch zugeteilt hat, dann sollte sie sich ihre zustimmende Haltung zur Einrichtung von Sammellagern noch einmal gut überlegen.

Politik wird unter anderem mit Bildern gemacht — und entscheidend ist, welche Bilder man zuläßt. Die Unterbringung in Sammellagern, umgeben von Stacheldraht und Wachschutz, ist menschenunwürdig. Denn wer auch nur für wenige Wochen mit völlig Fremden auf engstem Raum zusammengepfercht und durch ein Eilverfahren geschleust wird, das er nicht versteht, der wird entweder apathisch oder aggressiv. Doch die Bilder, die dabei entstehen, lassen nicht die Zustände, sondern die Menschen unwürdig erscheinen — und sie nähren unweigerlich Rassismus.

Wer sich also wie die SPD auf Sammellager einläßt, und gleichzeitig in der Bundestagsdebatte zum Grundrecht auf Asyl die CDU vollmundig als „Schreibtischtäter“ bezeichnet, der muß sich fragen lassen, ob er nicht selbst einer ist. Andrea Böhm

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