PORTRAIT
: Verantwortung scheute er noch nie

■ Haidar Abdel Shafi wird Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation

Tel Aviv (taz) — Zwar steht die Zusammensetzung der palästinensischen Delegation für die Nahost-Konferenz in Madrid noch nicht endgültig fest, der Name ihres Leiters jedoch ist bereits bekannt: der 71jährige Arzt Haidar Abdel Shafi aus Gaza.

„Es ist eine schwere Aufgabe für mich, und ich hätte nicht zugesagt, wenn ich nicht zuversichtlich wäre, daß unsere Anwesenheit nötig ist und wir auch etwas erreichen müssen“, sagte Shafi, der Leiter des Palästinensischen Roten Halbmonds und stellvertretender Bürgermeister der Stadt Gaza ist.

Der hochgewachsene und aristokratisch wirkende Mann mit starker persönlicher Ausstrahlung, der sich selbst als unabhängiger Linker bezeichnet, wird allgemein hoch geschätzt. Sein Einfluß unter der Bevölkerung und den palästinensischen Führern in den besetzten Gebieten war in allen Phasen vor und nach 1967 bedeutend. Shafi ist einer der Mitbegründer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und gehörte zunächst auch dem Exekutivkomitee der Organisation an. Seit der Eroberung der besetzten Gebiete spielte er in allen nationalen palästinensischen Führungsgremien im Gaza- Streifen und der Westbank eine wichtige Rolle.

Der Entschluß, die Leitung der Delegation zu übernehmen, fiel Shafi nicht leicht. „Bisher haben die Amerikaner alle Forderungen Israels erfüllt“, erklärte Shafi hinsichtlich der Konferenz. „In Zukunft erwarten wir, daß Washington eine ausgeglichene Rolle spielt, die eines Richters, der keine Seite bevorzugt.“

In der Vergangenheit hatte Haidar Abdel Shafi sich eher skeptisch über den zu erwartenden Ausgang der Gespräche von US-Außenminister James Baker mit Palästinensern in Jerusalem geäußert. Wenn er jetzt dennoch die schwierige Aufgabe in Madrid übernimmt, dann auch deshalb, weil er ein Mann ist, der noch nie Verantwortung gescheut hat. Seine Aktivitäten brachten ihm eine zweijährige Verbannung auf die Sinai-Halbinsel und eine Internierung durch die israelischen Behörden ein.

Auf innerpalästinensischer Ebene zählt die fundamentalistische „Hamas“-Bewegung zu seinen Gegnern, die ihn verschiedentlich angegriffen hat. Zu seinen Gegenspielern gehört auch Rashid al Shawa, eine weitere Führungspersönlichkeit aus dem Gaza-Streifen, der für seine pro-jordanische Haltung und seine Beziehungen zu den israelischen Behörden bekannt ist. Shawa war zweitweise Bürgermeister von Gaza, eine Funktion, in der Shafi eng mit ihm zusammenarbeitete.

In einem Interview mit dem israelischen Rundfunk kündigte Shafi gestern an, daß die palästinensische Delegation zu Beginn der Konferenz eine Unterbrechung der israelischen Siedlungspolitik fordern wird. Damit solle die Regierung in Jerusalem zeigen, daß sie tatsächlich eine friedliche Lösung anstrebt.

Die Palästinenser seien bereit, eine Autonomie zu akzeptieren, wenn es sich tatsächlich um ein Durchgangsstadium, eine zeitlich festgelegte Zwischenlösung handele, sagte Shafi. Es müsse jedoch eine eindeutige Verbindung zwischen der Autonomie und der Selbstständigkeit geben. Amos Wollin