MIT HOESCH-AKTIEN AUF DU UND DU
: Schluckbeschwerden

■ Ausgang des Krupp-Coups noch völlig offen

Bochum (taz) — Gewerkschafter sprachen von „einer feindlichen Übernahme“, Kommentatoren von der „Hochzeit wider Willen“. Das klingt, als sei die Übernahme längst perfekt, als habe der Krupp-Konzern die Hoesch AG schon geschluckt. Tatsächlich versperren noch mächtige Felsbrocken dem Krupp-Chef Gerhard Cromme den Weg an die Spitze eines neuen Mammutkonzerns. Aber selbst in seinem eigenen Unternehmen läuft nicht alles nach Plan. Ursprünglich wollte Cromme auf der morgen stattfindenden Krupp-Aufsichtsratssitzung den Kauf des Hoesch- Aktienpakets (24,9 Prozent) absegnen lassen — doch daraus wird nichts. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat baten um Vertagung. In der derzeitigen Situation, das sieht auch Cromme, kann die Krupp-Arbeitnehmerbank dem Deal nicht zustimmen. Ein Ja triebe die IG-Metall in die Zerreißprobe, brächte die Hoeschianer gegen die Kruppianer in Position — ein Alptraum für alle Gewerkschafter.

Mit der Vertagung kann Cromme gleichwohl leben, viel hinderlicher ist die Stimmrechtsbeschränkung bei den Hoesch-Aktien, die jedem Paketbesitzer maximal 15 Prozent der Stimmen auf der Hauptversammlung beschert. Selbst wenn Krupp schon heute über 50 Prozent im Portefeuille hätte, für mehr als 15 Prozent der Stimmen reichte es nicht. Zur Änderung dieser Klausel bedarf es einer einfachen Mehrheit auf der Hauptversammlung der Hoesch AG. Nach den Plänen von Cromme soll dieser Beschluß Anfang 1992 mit Hilfe befreundeter Banken fallen. Derzeit befinden sich 23 Prozent der Hoesch-Aktien in den Händen der Schweizerischen Kreditanstalt, weitere 12 Prozent hält die Westdeutsche Landesbank (WestLB). Stimmten beide mit Krupp, wären schon 45 Prozent der Stimmen zusammen — und das reichte. Hoesch läßt sich wegen des breit gestreuten Aktienbesitzes mit wesentlich weniger als 50 Prozent der Stimmen majorisieren. Daß das Stimmverhalten und die spätere Übernahme der Aktienpakete mit den beiden Banken vor Einfädelung des Coups abgesprochen wurde, gilt Insidern als sicher.

Scheitern könnte der Deal dennoch, weil die Hoesch-Belegschaft der landeseigenen WestLB politische Fesseln angelegt hat, die nur schwer abzustreifen sein dürften. Ohne Vorlage eines überzeugenden „partnerschaftlichen Konzeptes“, so hat Ministerpräsident Rau unter dem Druck der Hoesch-Beschäftigten versprochen, werde die Landesbank weder das Hoesch-Paket verkaufen noch gemeinsam mit anderen Aktionären abstimmen. Bleibt es dabei, wäre der Cromme- Coup gefährdet, es sei denn, es gelänge ihm, weitere „freie Pakete“ zu gewinnen. Solche Versuche waren bisher offenbar erfolglos. Walter Jakobs