Chilenischem Flüchtling droht Abschiebung

■ ai berichtet von Menschenrechtsverletzungen in Chile

Hamburg (taz) — Der druckfrische Bericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international über Chile, der der taz vorliegt, belegt, daß es dort auch unter der christdemokratischen Regierung Patricio Aylwin zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. Seit März 1990 wurden von amnesty über 40 Fälle dokumentiert, in denen Gefangene gefoltert wurden. Die Regierung Aylwin hat keine Macht im Lande. Staatsanwälte, Richter und Polizei handeln überwiegend wie gehabt.

Der Bonner Leiter des Länderreferates Chile im Auswärtigen Amt (AA) Spon hat den amnesty-Bericht noch nicht vorliegen, sagte jedoch, wenn Repressalien von Amtspersonen ausgingen, müsse die derzeitige Haltung des Auswärtigen Amtes in Bonn neu überdacht werden.

Nach Auffassung des Hamburger Rechtsanwalts Jens Waßmann gebe es genug Berichte über die wahren Zustände in Chile, nach denen man zu der Überzeugung kommen müsse, daß chilenische Flüchtlinge nicht pauschal ausgewiesen werden können. Das Auswärtige Amt verbreite ein falsches Bild. Waßmann vertritt den zur Zeit in Abschiebehaft sitzenden Ricardo Leòn, der sich vergeblich um Asyl in der BRD bemüht hatte.

In Hamburg hat sich inzwischen ein Aktionsbündnis der Arbeitsgemeinschaft Internationaler Jugendverbände gegründet, um für die Freilassung von Ricardo Leòn zu kämpfen und um für alle in der BRD lebenden Chilenen eine weitere Duldung zu erreichen. Auch der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Freimut Duve sagte, daß man Chilenen nicht pauschal ausweisen dürfe. Einzelfälle müßten geprüft werden, da bestimmte Menschen, die früher gegen Pinochet gekämpft hätten, nach wie vor bedroht seien. Thore Dohse