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„Weltmacht“ Sowjetunion?

■ Nur sieben Republiken nehmen an der Sitzung des Obersten Sowjet teil

Moskau (afp) — Michail Gorbatschow will die Sowjetunion als „Weltmacht in internationalen Fragen und bei der Befriedung regionaler Konflikte“ erhalten. Zur Eröffnung der ersten Sitzung des Obersten Sowjet nach dem gescheiterten Staatsstreich forderte der Staatschef die sowjetischen Republiken auf, „bis Mitte November“ den neuen Unionsvertrag zu unterschreiben. Notwendig sei außerdem eine „Harmonisierung“ der internationalen Beziehungen der Republiken. In gegenseitiger „Abstimmung“ mit der Union sollten sie Mitglied in internationalen Organisationen werden.

Gleich nach der Eröffnungsrede Gorbatschows wurde die Sitzung des reformierten Parlaments, dessen Aufgabe die politische Umgestaltung der Sowjetunion sein soll, unterbrochen. Der hierfür angegebene Grund: Zunächst sollen Verhandlungen in den Parlamentskammern und Ausschüssen geführt werden. Vermutet wird jedoch, daß die Sitzung unterbrochen wurde, um auf weitere Abgeordnete zu warten. Denn: Nur sieben der zwölf verbleibenden Sowjetrepubliken hatten stimmberechtigte Vertreter nach Moskau entsandt. Aserbaidschan und Moldawien schickten lediglich Beobachter. Abgeordnete aus der Ukraine, Armenien und Georgien blieben fern. Damit sind neben Rußland und Weißrußland nur die mittelasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Turkmenien, Kirgisien und Tadschikistan vertreten. Die Hauptfrage für viele Delegierte ist somit, ob die „UdSSR überhaupt weiterbestehen wird oder nicht“.

Im weiteren Verlauf seiner Eröffnungsrede betonte Gorbatschow erneut seinen Willen zum „Aufbau einer Marktwirtschaft“, hierfür sei nicht nur eine „breit angelegte Reform des Finanz- und Bankwesens“, sondern auch die Beseitigung aller bürokratischen Hemmnisse notwendig. Nicht „dulden“ will der Präsident die Bildung eigener Republiksarmeen: Derartige Versuche — unternommen bisher in Georgien, Armenien und Aserbaidschan — werde er „ganz einfach“ rückgängig machen, sie seien „illegal und verfassungswidrig“.

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