Am Anfang war die Retorte

■ »Ohne X geht nix« — Die Menubeln mit einer schwachen Genmanipulation im BKA

Das sterile und uteruslose Ehepaar Herr und Frau A. wollen ein Kind. Sie wenden sich an den Samenspender Herrn B. und die Eispenderin Frau C. Das Ei von Frau C. wird mit dem Samen von Herrn B. künstlich befruchtet, und der so gewonnene Embryo in die Leihmutter Frau D. eingepflanzt. Im vierten Monat ergeben sich bei Frau D. Komplikationen und der Fötus wird in Leihmutter E. transferiert. Frau E. bringt nach weiteren fünf Monaten das Kind zu Welt. Frage: Wer sind die Eltern?«

Herrliche Fragen ergeben sich aus den wahnwitzigen Forschungsideen der humanen Genforschung. Hätten Sie gedacht, daß es die Erfindung des »Tiefkühlembryos« inzwischen möglich macht, Zwillinge mit 30 Jahren Altersunterschied zu gebären? Satirisches Gedankengut ist gefragt, wo Kinder neuerdings im Glas gezeugt werden, ungewöhnliche Ideen und spitzfindige Antworten, in einer Zeit, da die Gebärmutter für die gefährlichste Umgebung gehalten wird, in der sich ein Mensch aufhalten kann. Stoff genug für einen lehrreichen und vergnüglichen Kabarettabend. Denn solange die Jungs weiter an einer künstlichen Gebärmutter mit dem fürsorglichen Argument werkeln, gerade die Frauen seien doch immer so begeistert von »arbeitsentlastenden Haushaltsgeräten«, so lange sollten Frauen hin und wieder auf die schlichte chromosomale Tatsache aufmerksam machen: »Ohne X geht nix«.

Genau dieser Mission haben sich drei belesene und darum wissende Wienerinnen verschrieben, die zur Zeit mit Piano und Pianist das BKA beehren. Die »Menubeln« nennen sie sich — das ist wohl eine Art »Schmäh«, der nördlich des Main- Donau-Kanals seiner Bedeutung verlustig geht. Und fröhlich tanzen, singen und schauspielen sie rund um das goldene Kalb der Gentechnologie. Selbst ganz feministisch gepolt, versetzen sich Erika Deutlinger, Elke Hesse und Jeanette Tanzer — quasi als Selbstversuch — für zwei Stunden in die Rolle des Klassen- und Frauenfeindes, tauchen ab in die dunklen Hallen der gentechnischen Labors, wo die Emanzen nurmehr »Geschlechtsverirrte« sind. Dorthin, wo greise Nobelpreisträger auf der Bahre zum Abspritzen ins Vitro herangekarrt werden und wo mit dem Besten von Reinhold Messner (für den Körper), Kanzler Vranitzky (für die Moralbildung?), Thomas Gottschalk (für den Partywitz) und einem Spritzer des Heiligen Vaters (weil es ja nicht schaden kann!) ein Samencocktail für den Supermann der Zukunft gebraut wird. Die Leihmutter Ute Rus wird vorgeführt, wie sie das Sperma des senilen Professors voll Freude entgegennimmt, es dann aber irgendwie doch verschusselt, so daß am Ende der kleine Nobelpreisträger als vermißt gemeldet werden muß. Die »Menubeln« lassen uns einen Blick in die hauseigene Tiefkühlabteilung werfen, mit den Embryonen auf Halde, die zu ihrem Herrn beten und auf »ein Leben nach dem Kühlschrank hoffen«. War am Anfang wirklich die Retorte? Auch ein Sohn von Uschi Glas und Don Johnson ist heute möglich, wenn auch vielleicht nicht nötig, und überhaupt ist so ein Genlabor ein rechter Saustall.

Das hört sich ja alles ganz gut an, werden Sie jetzt beim Lesen denken, und es hätte auch ganz gut sein können, wenn die drei »Menubeln« es bei diesem Teil des Programms belassen hätten. Aber als wollten sie, ganz von den Möglichkeiten der Genmanipulation beseelt, auch ihr Programm zur Chimäre werden lassen, mixten sie zwischen das an sich doch hervorragend ausgewählte Ausgangsmaterial immer wieder übelsten Klamauk. Saudumme Variationen zum Thema »Nudel«, schon wieder eine TV- Spielshow-Verarsche, leider auch hier ohne den zwingend zündenden Gag. Die Geschichte der Frauenbewegung in vier Strophen, und weil das alles immer noch nicht die vom BKA geforderte Spieldauer hatte, gab es dann noch einen gequälten Blick in den Himmel. Dort sorgt ein Himmelfurzkommando für die angemessene Sittlichkeit und Frau Oberst nebst alter Generälin halten sich auch dran, bis des Teufels Großmutter haschrauchend zu einer Orgie mit Janis Joplin und Rosa Luxemburg einlädt. Weil die Teufels-Omi den Himmel endlich einmal »höllisch feministisch unterwandern« will, läßt sie ihre »Flachfrau« kreisen, bis die »Sky-Channel« glotzenden Weiber dann endlich den einzigen Lacher des Abends produzieren: »Wenn sie auf ihr Gewissen scheißt, trink Klosterfrau Melissengeist!« So viel konnte man gar nicht saufen, um diesen Schwachsinn auszuhalten.

Wenn das Programmheft satirischer als die Live-Darbietung ist, eine Song-Widmung mehr berührt als der gewidmete Song, dann sollten die Menubeln doch besser eine Lesung ihres Beipackzettels veranstalten, als uns und sich mit ihren Bühnentaten zu ermüden. Das wäre weniger anstrengend und zumindest kürzer. Wenn's unbedingt sein muß, könnte man dann ja anschließend noch gemeinsam ins Theater gehn. In ein anderes. Klaudia Brunst

Bis 4. 11., Do bis Mo 20.30 Uhr im BKA, Mehringdamm 32-34