INTERWIEW
: Asyl »erst einmal« kein Wahlkampfthema

■ CDU-Generalsekretär Karl-Joachim Kierey zu den Profilproblemen von CDU und SPD/ Kritik an Diepgen sei »unfair«

Berlin. Die Stimmung zwischen den beiden Koalitionsparteien SPD und CDU wird zunehmend gereizt, auch mit Blick auf die Wahlen für die Bezirksverordnetenversammlungen am 24. Mai 1992. Die taz sprach zu diesem Thema mit dem amtierenden Generalsekretär der Berliner CDU, Karl-Joachim Kierey.

taz: Herr Kierey, hat der Wahlkampf für die Kommunalwahlen schon begonnen?

Karl-Joachim Kierey: Nein. Die Diskussion, die wir zur Zeit innerhalb der Koalition und der Koalitionsparteien haben, ist eine Diskussion um das Profil der beiden Partner, und das sehe ich zumindest jetzt noch losgelöst vom Wahlkampf.

Die SPD scheint ihre eigene Profilierung zur Zeit zu forcieren. Sie hat den Vorstoß zur Parlamentsverkleinerung unternommen und sich sehr deutlich für die umstrittenen Tempo-30-Regelungen eingesetzt.

Ich kann nicht ausschließen, daß die SPD das als Wahlkampf betrachtet. Wir betrachten mit einiger Aufmerksamkeit und ein bißchen Sorge, daß die SPD augenscheinlich Profilierungsprobleme hat. Wenn sie so weiter macht, löst sie diese Probleme auf unsere Kosten. Das geht in einer Koalition nicht.

Mitglieder und Abgeordnete Ihrer Partei attestieren auch der CDU Profilierungsbedarf. Der Wilmersdorfer Abgeordnete Jürgen Adler wirft Eberhard Diepgen vor, sein »Leistungszenit« sei überschritten. Der Kreisverband Wilmersdorf hat im Interesse des Parteiprofils Diepgen aufgefordert, den Landesvorsitz abzugeben.

Der Kreisverband Wilmersdorf ist nach wie vor der einzige, der einen derartigen Beschluß gefaßt hat. Sowohl in Schöneberg wie in Steglitz sind entsprechende Anträge zwar gestellt aber mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Spätestens seit der Sitzung des Landeausschusses am Montag ist völlig klar, daß es in der Berliner CDU keine Mehrheit für diese Diskussion gibt. Der Vorwurf von Herrn Adler zielte allerdings nicht auf diese Strukturfrage. Vielmehr war das ein außerordentlich unverständlicher und unfairer Angriff gegen den Landesvorsitzenden. Der Landesvorstand und der Landesausschuß haben das am Montag entschieden zurückgewiesen.

Wird die CDU im Kommunalwahlkampf das Asylrecht zum Thema erheben?

Bisher hat nur einer dieses Thema in die Wahlkampfauseinandersetzung aufgeworfen. Das war der SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß das ein Thema sein könnte und hat davor gewarnt, es zum Thema zu machen...

...Innensenator Heckelmann und Ihr Fraktionschef Klaus Landowsky haben in Sachen Asyl bereits mehrfach eine Änderung des Grundgesetzes gefordert.

Das Thema Asyl ist eines der Hauptthemen der Gesellschaft. Mit dem Berliner Kommunalwahlkampf hat es aber erst einmal gar nichts zu tun. Wir haben in der Stadt das große Problem der Gewalt gegen Ausländer. Und es gibt in der Bevölkerung ein breites Unbehagen, daß unser Asylrecht in mittlerweile vieltausendfacher Weise mißbraucht wird. Nun hat es in Bonn einen politischen Kompromiß gegeben. Ich fordere insbesondere die Sozialdemokraten auf, alles zu tun, damit dieser Beschluß schnell umgesetzt wird.

Richtet sich das an Sozialsenatorin Ingrid Stahmer?

Das geht an alle Sozialdemokraten.

Die Forderung nach Grundgesetzänderung stellen Sie solange zurück?

Nein. Ich bin der Meinung, daß die in dem Bonner Kompromiß vereinbarte Regelung nicht funktionieren wird. Die CDU bleibt dabei, daß eine Grundgesetzänderung notwendig ist. Wenn diese armen, oft von Schlepperorganisationen hergeholten Menschen gleich zu Hause bleiben, kann das Problem der Gewalt gegen Ausländer von den Politikern viel besser gelöst werden. Ein Teil der Gewalt, die sich gegen Ausländer richtet, hat auch damit zu tun, daß es die Politik bisher nicht verstanden hat, das Problem des Asylmißbrauchs zu lösen.

Wollen Sie etwa sagen, daß die Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, selbst schuld seien an der gegen sie gerichteten Gewalt?

Nein, selbstverständlich nicht. Die Menschen sind nicht schuld. Aber wenn 95 Prozent der Asylbewerber nicht anerkannt werden, dann kann wohl etwas nicht in Ordnung sein. Der Ärger, der darüber besteht, wird von Extremisten — in dem Fall hauptsächlich von Rechtsextremisten — ausgenutzt. Sie glauben, sie könnten mit diesem Thema ihr schlimmes politisches Süppchen kochen. Und dann beginnt der übliche Kreislauf. Wenn Rechtsextremisten Gewalt ausüben, fängt der Linksextremismus genauso an.

Wenn Rechtsextreme dieses Süppchen kochen — müßte dann nicht die CDU das Thema nach Möglichkeit kleinkochen?

Ja. Und das tue ich, indem ich das Problem löse. Interview: Hans-Martin Tillack