EFTA-Länder: Zaungäste im Binnenmarkt

■ Für die EFTA-Parlamente ist kaum eine Kontrollmöglichkeit auf EG-Ebene vorgesehen

Werden die Eidgenossen demnächst ihre Volksabstimmungen statt unter freiem Himmel in Straßburgs Euro- Palast abhalten müssen? Oder sollten sich die Pförtner des Europaparlaments schon auf Lappen aus dem fernen Finnland gefaßt machen, die zur Stimmabgabe mit ihren Rentier- Schlitten vorfahren? Witze dieser Art kursierten dieser Tage in Luxemburg am Rande der EWR-Verhandlungen. Sie verfehlen allerdings die Pointe des Vertrags. Denn de facto werden die Parlamente der sieben EFTA-Länder, die jetzt die Ehe mit der EG eingehen wollen, entmachtet, ohne daß ihren Bürgern eine äquivalente Kontrollmöglichkeit auf EG- oder EWR-Ebene zuwächst.

Bis zuletzt schacherten die Unterhändler beider Wirtschaftsblöcke um Fischereigründe, Absatzmärkte und Transitgenehmigungen. Weit weniger Probleme bereitete dagegen die Frage der Mitbestimmung der EFTA-Staaten in der EWR-Gesetzgebung. Letztere wird ganz einfach von der EG bestimmt. Die EFTA- Regierungen werden zwar an den Vorarbeiten dazu beteiligt, nicht jedoch am eigentlichen Beschluß des EG-Ministerrats. Wesentlicher Vorteil für die EG: Die EFTA-Länder haben keinerlei Mitsprache in EG- Angelegenheiten, müssen aber die meisten EG-Gesetze übernehmen. Ausgenommen sind die Bereiche Landwirtschafts- und Außenhandelspolitik, die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion sowie die politische Union einschließlich Außen- und Sicherheitspolitik.

Sachwalter von EFTA-BürgerInnen

Daß es in dieser „gleichberechtigten Partnerschaft“ mit rechten Dingen zugeht, darüber soll ein gemeinsamer Gerichtshof wachen, in dem EG-Richter die Mehrheit stellen. Natürlich wurde auch an eine demokratische Zierde gedacht: Vertreter der sieben EFTA-Länder und des Europaparlaments sollen den Europa-Lenkern auf die Finger schauen — ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen angesichts der vielbeklagten Ohnmacht der 536 Europarlamentarier. In diesem hohen Hause wurde der Durchbruch bei den EWR-Verhandlungen allerdings begrüßt. Schließlich kommt die Entscheidung einem Machtzuwachs gleich. Das Europaparlament könnte nun zum — indirekten — Sachwalter der über 30 Millionen EFTA-BürgerInnen aufrücken.

Der EWR-Vertrag paßt sich nahtlos ein in den undemokratischen Charakter der EG. Schon heute werden rund 40 Prozent aller Gesetze, mit denen sich beispielsweise der Bundestag beschäftigt, nicht etwa von den Europarlamentariern, sondern von den diversen EG-Ministerräten in Brüssel oder Luxemburg beschlossen. Daß sie mit ihrem Tun dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der Trennung von Exekutive und Legislative, ein Schnippchen schlagen, ist längst EG-Alltag. Doch weil dieser Entscheidungsprozeß im Vergleich zu dem der Konkurrenten USA und Japan noch zu schwerfällig ist, drängen die Regierungen auf Reform. Nur die wenigsten wollen dabei dem Europaparlament mehr Rechte zugestehen. Statt dessen soll die Position des EG-Ministerrats und des Europäischen Rats ausgebaut werden. So nennen sich die zwölf Staats- und Regierungschefs bei ihren halbjährlichen Gipfeltreffen.

Kein Wunder also, daß immer mehr EFTA-Regierungen inzwischen dazu tendieren, EG-Mitglied zu werden. Dann hätten zumindest sie ein Wörtchen mitzureden. Ihre BürgerInnen jedoch werden so oder so zu Zaungästen im europäischen Binnenmarkt — hinter den rund 240 Millionen fähnchenschwingenden ZuschauerInnen auf der EG-Tribüne. Michael Bullard, Brüssel