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Bremer Einfallspinsel: Taz-Serie Bremer Zeichner

■ Buzz Bütow, der mit dem Mond

BREMER EINFALLSPINSEL: TAZ-SERIE BREMER ZEICHNER- UND KARIKATURISTENSZENE, TEIL 2

Buzz Bütow, der mit dem Mond

Foto

Mann mit Brille

Hand aufgestützt

Buzz Bütow,

ein Mann wie ein Mond

Eine Bude unterm Dach im vorderen Schwachhausen; vollgestopft mit Schopenhauer, Brehms Tierleben, Handke, einem dicken Ly

„Stillgelegt“

rikband, der Zeit, jahrgangsweise gebunden, einem Episkop; vom Band ein unbekannter englischer Spätromantiker; Tee; wenig Licht am Abend. Von hier schickt Buzz Bütow, Bremer Grafiker und Karikaturist, Vater einer Tochter, die bei ihm lebt, seine Botschaften in die Welt wie aus einem Turm. Seine Karikaturen für die Zeit etwa, deren „Witz“ dermaßen vielschichtig ist, daß man vor Staunen nicht zum Lachen kommt. Oder seine Vorschläge für die neueste Werbeoffensive von „Milka“.

„Als Vierjähriger war ich ein bißchen somnambul,“ erzählt der 48jährige; später interessierte er sich für eventuelles Leben auf der Rückseite des Mondes. Seine „Mondbilder“ wurden berühmt, kamen 1988 auch in Buchform heraus. Mit Zitaten von Horaz bis Enzensberger, ausgesucht natürlich von Bütow. Der, bei rechtem Licht besehen, wie der personifizierte Halbmond aussieht.

Zeichnung:

Mann unter Schiene

Die somnambule Turmexistenz, allein mit den Geistern der Kulturgeschichte, das ist ein Stück vom Bütow, der „Polackenbrut“, wie man das Flüchtlingskind aus Kolberg an der Ostsee in Osterholz-Scharmbeck schimpfte. Hier wurde Bütow groß, d.h. nicht richtig groß: Sein Vater, knallharter Calvinist (“Er hat Tierfutter verscheuert auf dem Land“) verbrannte seine Bücher und seine ersten Rock-Platten, zerriß seine Zeichnungen. Ein Wunder, daß Bütow Mitte der 60er an die „Kunstschule Bremen“ konnte, nachdem er drei Jahre lang „Schiffsmakler“ gelernt hatte: „Wenn du zum Bund gehst, finanziere ich dir das Studium,“ wurde der Wehrunwillige erpreßt.

Der andere Buzz Bütow ist ganz Realitätsprinzip. Er hatte in Bremen „Verlagsgrafik“ gelernt, Buchumschläge entwerfen und Plakate; er bewarb sich bei der Zeit und hatte sofort als Artdirektor einen Etat von einer Million zu verwalten. Daneben zeichnete er für verschieden Redaktionen im Hause, etwa für den Stellenmarkt, die Reiseseiten etc.; und er schrieb Kinokritiken. Er zeichnete für die Süddeutsche, die FR, für Verlage und für Veranstalter Plakate. Ein Agent in München „vertickt meine Sachen bis in die Ukraine.“ Seit zehn Jahren hat er mit einem Partner zusammen eine kleine Firma, die z.B. für die Winterolympiade in Albertville an dem Schokoladen-Projekt arbeitet: Alle wollen Gold, Albert will Lila.

Als Zeichner ist Bütow Perfektionist. Sind frühe Arbeiten noch recht aussageorientiert, arbeitet er heute inhaltlich als Sophist und in der Ausführung akribisch. „Wenn man drin ist, ist der Witz determinierbar: Die Bilder werden ins Absurde gejagt, bis eine irre Wirkung kommt.“ So stecken seine Männchen oft in fatalen, auch fatalistischen Lagen — oder sie schweben in einer hermetischen Welt voll poetischer Anmut. Sein Strich ist dabei immer entschieden und rund. „Alles Freihand!“ betont er, „Zeichnungen können 60 mal neu anfangen. Wenn die erste Linie hinhaut, geht der Rest meist gut.“ Unabdingbare Voraussetzung fürs Gelingen ist neben vier Bier (helfen, wenn keine dieser abstrusen Ideen kommen) die Gillot's Nummer 291. Das ist eine englische Zeichenfeder, „die absolute Feder“. Weicher Ansatz, die Tinte fließt sofort, enorme Spannkraft: In der Regel ist eine Feder für eine Zeichnung gut. „Dann ist die

Zeichnung

Schiff

über Mond

Aus: „Du kannst mich mal im Mondschein besuchen“

Spannung raus.“ Bütows Winzformate werden für die Zeitung aufgeblasen. „Die Brillen werden immer dicker.“

Ein Jahr lang hat Buzz Bütow kaum was gezeichnet. Privater Kummer. Er hat Lyrik geschrieben im Viva, im Bistro Brasil. Für die Schublade. Diese spätexpressionistischen Sachen, Blues. „Ein Jahr Pause,“ sagt er, „da wird die Hand taub.“ Erste Fingerübungen finden sich jetzt wieder in einem Kalender, den der Senator für Bildung, Wissenschaft und Karikatur für '92 herausgibt. Und in einem dieser Geschenk-Selbstlaüfer im Piper-Verlag: „Lachen nach Noten.“ Ob wir vor Lachen prusten werden? Man darf's bezweifeln. Burkhard Straßmann

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