■ NEUES IM KINO
: Rückschlag der Frauen im Kino

Wochenlang schleppte sich eine Fangemeinde von 200 Mann und Frau zu jeder der nun auch in Berlin so populären »Sneak Previews« (Es gibt einen Film zu sehen, nur wird nicht verraten welchen!). Mit dem Vorspann dann verließ die Truppe wieder das Kino: Das Objekt ihrer Begierde tauchte nicht auf, das Objekt ihrer Begierde ist der Terminator II. Nach seiner gewalttätigen, martialischen, aber durchaus nicht unpazifistischen Ersterscheinung 1984 ist jetzt mit Teil 2 der Tag der Abrechnung gekommen. Arnold Schwarzenegger ist wieder das Gute im Menschen im Roboter.

Das Böse allerdings beherrscht noch immer die Welt, zumindest das, was 1994 noch davon übrig ist. Linda Hamilton kämpft mit mehr als bloß den Waffen einer Frau, der T-1000 ist weiterhin gemeingefährlich, die Stunts, Tricks und sonstig aufgefahrenes blutrünstiges Geschütz sind weiterhin nichts fürs müde Mimosengemüt, und die Zweitauflage des Cyborg-Epos läßt den Weg für Teil 3 frei! Der Terminator läßt sich sehen und vergessen wie eine Berg- und Talfahrt oder er eignet sich trefflich fürs Philosophieren übers Transzendente, das Bild der Frau, der Roboter im Zeitalter der technischen Klonbarkeit, das Kind im Manne oder der Mann im Chip. Mehr muß es doch wirklich nicht sein?

Viel zuviele Geschichten erzählt der amerikanische Schwarz-weiß-Regisseur Spike Lee, und deshalb verzettelt er sich in seinem Jungle Fever völlig, absolut und total. Eigentlich geht es um eine Liebe zwischen Schwarz und Weiß, aber das reicht dem selbstgerechten Levitenleser Lee nicht aus, und so erzählt er zig Geschichten parallel. Nicht daß die sonderlich ausgefeilt wären oder sinnfällig. Sie sind einfach irgendwie da. Daß der schwarze Spike Lee durchaus auch rassistische Züge hat und er mit unausgegorenen Vorurteilen gegen Weiße nur so um sich wirft, für jeden schwarzen Schwachkopf aber voll triefenden Verständnisses ist, das muß ihm nach Jungle Fever auch jeder noch so verständnisvolle Ethnopopper bestätigen. Aber weshalb soll ein Schwarzer nicht auch beim weltweit aktuellen Rassismusspiel mitmischen. Schwarze sind per se auch nicht immer die besseren Menschen, sie haben ja auch keinen Grund dazu, außer den, daß wir Weißen das ganz gerne so hätten. Das klebrig Kitschende seines kränkelnden, aber niedrigtemperaturigen Jungle Fever dürfte dann kaum mehr sein als der Bückling vorm großen Hollywood, ausgeführt vom schlechten Gewissen der weißen Studiobosse.

Mehrmals hätten sich die süchtigen Terminatoren in jenen Sneak Previews den neuen Ridley Scott ansehen können: Thelma&Louise. Aber wahrscheinlich hätte sie dieses durch und durch knallhart und kompromißlose »Zwei Frauen on the Road«-Movie nachhaltiger erschreckt und verängstigt, als es je ein noch so wildgewordener Computer je vermöchte. Geena Davis und Susan Sarandon sind Thelma&Louise. Thelma wurde vergewaltigt, der Mann ist ein Arschloch mit Schwanz, und Louise erschießt ihn, kaltblütig und mit heißem Herzen. Weil die Frauen an ihrer Vergewaltigung laut Männerweisheit immer selbst schuld sind, Vergewaltiger aber nie an ihrem Erschossenwerden, krallen sich die beiden Frauen ein Auto und fliehen. Anders als Männer im Roadmovie wollen sich Thelma&Louise nicht selbst finden, sondern sich endlich einmal völlig verlieren.

Und was jetzt im Kino beginnt, war vor Thelma&Louise auch im Leben reine und beklatschte Männersache: rumballern, Überfälle, Autos zu Schrott fahren, sich wehren — notfalls morden. Die Waffen dieser Frauen sind die der Männer. Heimgezahlt wird mit gleicher Münze. Aber gleich und gleich ist nicht dasselbe, wieder Männermoral — und der folgt der Regisseur in keiner Sekunde: Ridley Scotts gnadenlos schonungsloser Film Thelma&Louise, bei dem die Sympathie immer und uneingeschränkt auf der Seite der Frauen bleibt, hat den amerikanischen Männern Angst vor Frauen gemacht. Unmoralisch sei der Film. Und auch hierzulande dürften die Männer reichlich verstört, pikiert und nervös aus dem Kino schlurfen und sich zurücksehnen in eine Kinozeit, in der Männer ihre Männerrolle spielten und die Frauen den hübschen Rahmen. Dieser Film eines Mannes ist der radikalste Frauenfilm, der je auf die Leinwand kam. Ich will ab sofort weiterhin von Frauen eines Besseren belehrt werden, auch wenn das Bessere nicht immer das Gute ist. Aber das ist gut so, und im Vegleich zu Thelma&Louise ist der Terminator ein Kindervideospiel. reve