Zwischen Rokoko und Klassizismus

■ Wörlitzer Schlösser und Gärten: Eine Vortragsreihe in der Domäne Dahlem mit begleitender Ausstellung

Irgendwo im mitteldeutschen Industriegebiet nahe Dessau liegt Wörlitz. Im Stil englischer Landschaftsgärten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt, gelten die Wörlitzer Anlagen als Inbegriff der Aufklärung in Deutschland. Wörlitz ist die Abkehr von den streng axial angelegten Parks des Barocks. Neben allerlei »Follies« wie Grotten, Tempel und feuerspeienden Vulkanen fanden sich ebenfalls landwirtschaftlich genutzte Flächen und Zweckbauten in der Kunstlandschaft. Das Schöne sollte mit dem Nützlichen verbunden werden.

»Zierde und Inbegriff des 18. Jahrhunderts« hatte Wieland die Anlagen des Fürsten Franz von Anhalt- Dessau genannt. Das Wörlitzer Schloß, von Erdmannsdorff erbaut, gilt als erster Bau des Klassizismus in Deutschland. Trotz des geringen Interesses, das in der DDR am Erhalt von nicht DDR-geschichtlichen Denkmälern bestand, hat Wörlitz überdauert. Für den Bauerhalt standen kaum Kapazitäten wie ausgebildete Handwerker, Baumaterial und Werkzeug zur Verfügung und die wenigen wurden für Repräsentationsobjekte eingesetzt, zum Beispiel über zehn Jahre lang zur Vorbereitung des 750jährigen Berlin-Jubiläums. Die Schlösser- und Gärtenverwaltung versuchte listenreich, Wörlitz aus dem Schatten Sanssoucis zu eigener Berühmtheit zu verhelfen. Aber auch von der Feststellung, es handle sich um die DDR-größte »Kulturlandschaft der DDR« ließen sich Staat und Partei nicht begeistern.

Auch das Argument, Fürst Franz könne kein ganz so garstiger Monarch gewesen sein, habe er doch den Bau einer jüdischen Synagoge in seinem Park nahe dem Schloß veranlaßt, sollte dem guten Mann nicht zu seiner Rehabilitation verhelfen. Erst als der alte Fritz Anfang der 80er wieder unter den Linden reiten durfte — die Wende im Verhältnis der DDR zu ihren Denkmälern —, konnte in Wörlitz in größerem Umfang renoviert werden.

So ist die Anlage heute verhältnismäßig gut erhalten, ein unbedingtes Muß für Liebhaber des Klassizismus. Dennoch klagt Dr. Hartmut Ross, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz über mangelnde Besucher. »Obwohl wir nur 150 Kilometer von Berlin entfernt sind, ist das Interesse an Wörlitz, gemessen an den Besucherzahlen Sanssoucis unglaublich gering. Für viele ist Wörlitz kein Begriff, die wenigen, die davon wissen, kommen immer wieder.«

Auch der Berliner Antiquar Erich Hero entdeckte Wörlitz erst, als man ihm Zeichnungen des Gärtners Franz Schmidt, die in der Zeit um 1840 entstanden sind, in Kommission gab. Von den farbigen Federzeichnungen angeregt, machte er sich auf die Reise ins etwa 150 Kilometer von Berlin entfernte Wörlitz. Seither ist er diesem Ort zwischen Rokoko und Klassizismus verfallen. In Zusammenarbeit mit der Schlösser- und Gärtenverwaltung Wörlitz und der Domäne Dahlem organisierte Hero eine Ausstellung in seinem Antiquariat in Schöneberg, die von einer Vortragsreihe in der Domäne Dahlem begleitet wird.

Wer sich für einen Wörlitz-Besuch mit Literatur ausrüsten möchte, wird bei Hero alles finden, was das Herz begehrt. Für wenig Geld bietet das Antiquariat die von den Staatlichen Schlössern und Gärten Wörlitz herausgegebene Literatur, die sonst ausschließlich vor Ort zu bekommen ist.

Zum Schluß noch ein kleiner Anreiz für die Freunde von »Frau mit Spiegel«: Ein Nachfahre jenes aufgeklärten Fürsten Franz geistert seit der Wende durch Sachsen-Anhalt: Eduard von Anhalt, ehedem Münchner Partyprinz, auf der Suche nach seinen Wurzeln, wird neuerdings des öfteren in den Anlagen wandelnd gesichtet. Zum größten Vergnügen der Wörlitzer. Hält sich doch dort das boshafte Gerücht, der gute Eduard sei gar kein Askanier, sondern ein illegitimer Sohn Heinrich Himmlers. Denn: Zur Zeit seiner Entstehung war sein Vater längst im KZ Dachau inhaftiert. Honni soit... Lilli Thurn und Taxis

Ausstellung im Antiquariat Hero, Akazienstraße 4. Vorträge:

Ludwig Trauzettel: Wörlitzer Anlagen — Geschichte, Entwicklung und Restaurierung (24.10. 19 Uhr).

Dr. Reinhart Alex: Wörlitz — Architektur im Umbruch (24.11. 19 Uhr).

Uwe Quilitzsch: Die Wedgewoodsammlung des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau (21.11. 19 Uhr) in der Domäne Dahlem, Königin-Luise-Straße 49