„Ich hasse Negation“

■ Der Schriftsteller Ronald M. Schernikau starb in Berlin

Berlin (taz) — Der Schriftsteller, Schwule und Kommunist Ronald M. Schernikau ist im Alter von 31 Jahren in Berlin gestorben. Er erlag der Immunschwächekrankheit Aids. Der in Magdeburg geborene und bei Hannover aufgewachsene Autor war im September 1989 von West- nach Ost-Berlin gezogen. Er nahm die DDR-Staatsbürgerschaft an, wurde Mitglied des DDR- Schriftstellerverbandes und arbeitete beim Henschel-Verlag. Der Übersiedlung war seit 1986 ein dreijähriges Studium am Institut für Literatur Johannes R. Becher in Leipzig vorausgegangen. Schernikau hatte sich im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturabkommens hartnäckig um den Studienplatz beworben.

Als Sechsjähriger kam Schernikau im Kofferraum eines Fluchtautos von Magdeburg in die BRD. Er gab schon als Kind die Nähe zur DDR nicht auf, trat der SDAJ und später der DKP bei. Fast ausschließlich interessierte Schernikau die Literatur der DDR.

Er schrieb unter anderem den erfolgreichen Erstling Kleinstadtnovelle (1980) — seine Erfahrungen mit dem schwulen Coming-out in der Provinz —, Petra · Ein Märchen (1983) sowie Tage in L. (1989). Das Protokoll seiner Zeit in Leipzig voller ost-westlicher Reflexionen war auch die Abschlußarbeit am Becher-Institut. Das im Westen erschienene Buch war im Osten zunächst wegen des Bruchs zu vieler Tabus abgelehnt worden, nach der Wende, weil es zu DDR- freundlich war. Schernikaus Bekenntnis zum Kommunismus und zur DDR, dem für seine Bekehrungstätigkeit „kein Holzhammer zu groß“ war, war immer heftig umstritten. Die einen liebten den „revolutionären Romantiker“, weil seine „naiv-blauäugige Freundlichkeit entwaffnend“ sei, und er wirke wie ein „märchenhaftes Fossil aus unseren idealistischen Kindheitsträumen“ (Martin Miersch). Die anderen sahen in ihm den „Versteigerer der Ideale“ mit „infantiler Ost-Macke“. Seine „Kundengruppe“ seien „Nostalgiker mit antiquarischem Interesse“, schrieb 1990 Dirk Brauns.

Auf dem DDR-Schriftsteller- Kongreß hatte Schernikau im März desselben Jahres in seiner Rede gesagt: „Wer sich von der Phantasielosigkeit seiner Lehrer beeindrucken läßt, ist selber schuld. Wenn die Dummheit der Kommunisten die Leute zu Antikommunisten gemacht hat: dann war sie deren furchtbarster Fehler.“ Und am Schluß: „Das einzige, was mich interessiert bei der Arbeit, ist: etwas loben können. Ich hasse Negation. Am 9. November hat in Deutschland die Konterrevolution gesiegt. Ich glaube nicht, daß man ohne diese Erkenntnis in der Zukunft wird Bücher schreiben können.“ kotte