Drei Welten in einer Küche

■ Das Bildungs- und Aktionszentrum Dritte Welt in der Kreuzberger Oranienstraße/ Das Café Grenzenlos: ein Treffpunkt für Flüchtlinge

Kreuzberg. Im »Café Grenzenlos« können Flüchtlinge endlich mal ihr eigenes Süppchen kochen — politisch und kulinarisch. An den Abenden im »Bildungs- und Aktionszentrum Dritte Welt« (BAZ) in der Oranienstraße 159 vereinigen sich die Erste und Dritte Welt friedlich in den Kochtöpfen: Was darf's denn heute sein, jamaikanisch oder togolesisch oder auch mal deutsch? Seit zweieinhalb Jahren wechseln sich die multikulturellen Köche und Köchinnen im Café Grenzenlos ab. Die ehrenamtlich arbeitende Crew will allerdings nicht nur um den Kochtopf tanzen, sondern vor allem einen Kommunikationsort für Flüchtlinge anbieten — mit Veranstaltungen, Filmvorführungen, Ausstellungen und Discoabenden. »Und außerdem«, zeigen die Cafébetreiber auf Buchreihen mit seltsamen Buchstabenkringeln, »haben wir eine Leihbibliothek für bengalische und tamilische Literatur aufgebaut.«

Wer dort nichts nach seinem Gusto findet, kann sein Glück noch mal im Buchladen nebenan versuchen. Der Laden mit dem Schwerpunkt Dritte Welt öffnete seine Türen zeitgleich mit dem gesamten BAZ, das 1982 zwei Etagen im dem damals noch dem KBW gehörenden Haus bezog. Als sich die maoistische Politsekte vier Jahre später auflöste, erwarb der BAZ-Trägerverein »Internationaler Treffpunkt Berlin e.V.« das gesamte Gebäude, in dem außerdem noch ein Arzt und ein Anwalt logieren. Doch das Jahr 1986 ist in solch einem fluktuierenden Selbstverwaltungsprojekt vielleicht schon zu lange vorbei, jedenfalls erinnert sich der Buchhändler nicht mehr daran. Aber auch er hat etwas für die multikulturelle Küche anzubieten: Tee der »Teekampagne«.

Klaus Müller jedoch, in der Verwaltung des Dritte-Welt-Zentrums tätig, erinnert sich. Seinen wahren Namen möchte er ungern in der Zeitung lesen, da er in der Skinhead- Szene bekannt sei. Anfang der 80er Jahre, berichtet er, seien die BAZ- Aktivitäten sehr viel stärker »durch zurückgekehrte Entwicklungshelfer und die Soli-Szene geprägt« gewesen. Daß sich der politische Schwerpunkt nun sehr viel mehr auf den Flüchtlings- und Immigrantenbereich verlagert habe, findet er persönlich »positiv«. Die Anwesenheit der Flüchtlinge verhindere »ein Schmoren der Szene im deutschen Saft« — auch das ein Rezept aus der multikulturellen Küche.

Die kolumbianische Universitätsdozentin Dr. Dolly Conto de Knoll kennt noch weitere Kochkünste. In Schulen oder im BAZ-Veranstaltungsraum führen sie und andere ReferentInnen im Rahmen des Projektes »Kinder und Dritte Welt — Umgang mit fremden Kulturen« vor, wie der Alltag in Afrika, Lateinamerika oder Asien aussieht. »In unseren Veranstaltungen lernen die Kinder zum Beispiel, wie man in Afrika eine Mahlzeit zubereitet.« Sie zeigt auf eine ganze Sammlung traditioneller Holzschalen. »Die Kinder machen begeistert mit«, berichtet sie lächelnd. Sie hoffe, daß sich das später in einem toleranteren Verhalten gegenüber Fremden zeigt. »Für die Ostberliner Schüler«, so ihre Beobachtung, »ist noch vieles fremd. Die Kinder in den Westberliner Schulen, die in gemischten Klassen aufwachsen, sind offener.«

Präventivarbeit wie in diesem Kinderprojekt, Solidaritätsarbeit wie im »Kurdistankomitee«, Flüchtlingsbetreuung wie in den Deutschkursen der BAZ-Schule, politischer Selbsthilfe wie in der »Initiative Schwarze Deutsche« oder im »Immigrantenpolitischen Forum« — das alles wird im BAZ Tür an Tür geleistet. Doch trotz oder vielleicht auch gerade wegen dieser politischen Exponierung hofft man, vor rechtsradikalen Übergriffen bislang relativ sicher zu sein. »Das trifft uns eher als einzelne auf der Straße«, sagt eine dunkelhäutige Immigrantin.

Dann aber unter Umständen sehr massiv. Das »Immigrantenpolitische Forum e.V.« mit seinen zwei Dutzend Aktivisten hat sich deshalb vorgenommen, sämtliche rassistisch motivierten Übergriffe der letzten Zeit zu dokumentieren. Sie sollen in ihrer Zeitschrift 'Visa‘ veröffentlicht werden. Daneben, so berichtet Yonas Endrias aus Eritrea, kümmere man sich auch um die Einzelfälle: »Zum Beispiel um die Namibier, die im Juni in Wittenberge aus dem Fenster geworfen wurden. Der eine hatte mehrere Brüche und kann bis heute kaum sprechen.« Und manchmal lädt das »Forum« dunkelhäutige Menschen aus der Ex-DDR einfach zum Multikulti-Essen und Schwoofen ein: »Was meinst du, wie die das genießen, im Osten konnten sie nirgends tanzen und laut sein.« Ute Scheub