Herzliche Butterfahrt

■ Lotti Huber singt, dichtet und erzählt in der UFA-Fabrik

Jeder kennt sie, fast jeder mag sie, und niemand möchte sie missen: Lotti Huber (79), bekannt durch Interviews, Stellungnahmen, Bücher, Filme und Abenden wie diesen.

Die UFA-Fabrik forciert Lotti Huber zu einem Mega Act, und deshalb müssen alle Zuschauer erst einmal eine Dreiviertelstunde zusammengepfercht wie die Rinder auf dem Weg zur Schlachtbank vor den geschlossenen Türen warten. Zuvor hatte man das Spiel »Wer hat wann wo und vor allem bei wem die Karten bestellt« mitgemacht, wobei rund 150 Mitspieler ihre Hartnäckigkeit beweisen und ihren Ärger zurückhalten durften. Nachdem dann anstatt Geld eingezogen, Geld bezahlt worden war, durfte man über »Los« zum Rinderparkur vorstoßen, wo das Spiel »Geduld in der Masse« — aber ohne Getränke — schon wartete (siehe oben).

Dann wurde es plötzlich interessant; denn nachdem zwei kleine Schleusentore geöffnet waren, konnte man im Zuschauerraum eine Variante der »Reise nach Jerusalem« miterleben, wobei sich der alte Spruch »Wer zuerst kommt, sitzt am besten« mal wieder schmerzlich bewahrheitete. Denn die hinteren Reihen des UFA-Kinosaals vermitteln ein Gefühl von der Sicht bei Rockkonzerten in Stadien, nur ohne Großbildschirm.

Aber zu sehen gab es ja auch nicht viel: Auf der Bühne steht ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe, ein paar Bücher und — wie sich später herausstellt — wichtige Requisiten wie das Blumenherz (»das hat der Micha gemacht«). Und dann kommt sie: Lotti Huber, wie sie leibt und lebt. Sie lächelt, alles klatscht. In gewohnt extravaganter Aufmachung eröffnet sie den Abend mit dem Versuch eines Liedes, und eine herzliche Butterfahrtstimmung stellt sich im Saal ein.

Da Frau Huber weiß, daß singen nicht ihre Stärke ist (obwohl sie es deswegen auch nicht unterläßt), gibt es Gedichte. Gedichte über Berlin, alte Damen bei Kranzler, Ehepaare, die sich nichts mehr zu sagen haben und Prostituierte,— nach dem Muster »Reim dich, oder ich fress' dich«, zum Beispiel: »Adam war im Paradies und fühlte sich da richtig mies«, einfach genial. Knittelvers par excellence. Zum Teil werden diese Gedichte mit Musik vom Band unterlegt (Satie Gymnopedies und Beethoven Mondscheinsonate, also fast unbekannte Werke). Und da in jedem Gedicht ein Reizwort (Titte, Po usw.) und/oder eine Pointe am Schluß enthalten ist, kann der Fanclub ausgiebig lachen und schön artig nach jeder Nummer klatschen (man kennt dies von Mozart-Abenden in der Oper, doch traurigerweise ist das Publikum nur halb so alt wie das in der Bismarckstraße).

Lotti Huber gibt dem Publikum aber auch Ratschläge betreffs des Orgasmus — ein nicht gerade neues Thema — und der Emanzipation der Frau. Und die Frage taucht auf, ob wir tatsächlich 1991 oder erst 1961 schreiben. Denn das bis in die Knochen verklemmte Publikum findet Anspielungen wie, daß der Mann sowieso nur das eine will und die Frau dabei zu kurz kommt, schier zum Totlachen.

Weiterhin folgt dann wieder ein Chansonversuch (wobei das Publikum sich krampfhaft vor dem Schunkeln zurückhält), Gedicht (Lachen und Klatschen!), Lebensweisheiten (schön artig anfassen!) und Anekdoten aus dem Leben sowie nostalgisch- biografische Erinnerungen. Und genau diese sind der Grund, daß der Abend doch noch erträglich wird. Denn alles andere kennt man schon aus Büchern und Interviews. Doch wenn Lotti Huber aus ihrem Leben plaudert, wird es interessant, lebendig, tragisch und auch komisch. Sie erzählt vom alten Berlin, ihren englischen Ehemännern und ihrer Zeit auf Zypern, wo sie erst ein Hotel und später eine Bar besaß. Und man hört ihr gerne zu.

Zum Schluß fragt man sich natürlich, ob dieser Abend unbedingt nötig war, da er nur für eingefleischte Lotti- Huber-Fans oder solche, die es werden wollen, empfehlenswert ist. Was bleibt, ist der Charme einer Grande Dame aus Berlin. York Reich

Weitere Vorstellungen: heute und morgen 22 Uhr