Selbstbeschäftigung

■ Der Verfassungsschutz braucht nicht zu sparen

Das öffentliche Schwadronieren über den Sinn des Verfassungsschutzes gleicht zunehmend dem Versuch, dem Kaiser ein paar neue Kleider zu verpassen. Genauso fein wie diese sind die Argumentationslinien der Regierungsfraktionen gesponnen, mit denen der überprüfbare Nutzen des Amtes ummäntelt wird. Bereits mit den Umwälzungen in Osteuropa, der DDR- Wende und der damit einhergehenden Schrumpfung der SED- Adepten von der SEW kamen den beamteten Spähern die Feindbilder abhanden. Das Landesamt drohte zu einer landeseigenen Selbstbeschäftigungsgesellschaft zu mutieren. Das Haus bot ja genug Tätigkeitsfelder. Sei es, daß man sich gegenseitig observierte, in Italien bei alten Kämpen nach Spesenabrechnungen fahndete oder die eigenen Reihen nach Durchstechern durchforstete. Gleichwohl halten CDU und SPD mit Beharrlichkeit an diesem Relikt der kalten Krieges fest. Das Amt umgibt sich gern mit einer Aura des Geheimen und Geheimnisvollen, die auch auf die Parlamentarier ansteckend wirkt. Da wird bramarbasiert statt analysiert, wird eine Wichtigkeit unterstellt, wo eine Wertigkeit vorgerechnet werden müßte. Keine andere Dienststelle Berlins könnte es sich leisten, Haushaltseinsparungen zu verweigern und sogar noch einen Zuschlag mit dem lapidaren Verweis zu kassieren, Kürzungen gäbe es erst, wenn überhaupt, nach Abschluß einer internen Prüfung. Würde man dieser Argumentation folgen, bräuchte sich nur jede Verwaltung eine eigene Kommission zuzulegen, um Einsparungen zu entgehen. Den Abgeordneten der Regierungskoalition scheint dieser Gedanke nicht so abwegig, stimmen sie doch ohne eingehendere Kosten-Nutzen-Analyse dem Verfassungsschutzetat zu. Es drängt sich die Frage auf, was eigentlich noch passieren muß, bis auch ihnen die Erkenntnis aufgeht, daß der Kaiser schlichtweg nackt ist. Dieter Rulff