Ostasiatische Wiedervereinigung

Erste Erfolge im innerkoreanischen Dialog/ Regierungschefs aus Seoul und Pjöngjang einigten sich auf ein Grundsatzabkommen/ Diskussionen über Atomwaffensperrvertrag  ■ Aus Seoul Peter Lessmann

Im Vergleich zum Fall der Berliner Mauer bedeute die Einigung über den Titel eines Abkommens natürlich nichts, für Korea aber allerhand, schrieb eine Seouler Presseagentur gestern. Nach drei erfolglosen Verhandlungen einigten sich nämlich Regierungschef Chung Won Shik aus Südkorea und sein Amtskollege Yon Hyong Muk in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang auf den Abschluß eines Grunsatzvertrages über Entspannung und Wiederannäherung auf der seit 46 Jahren geteilten ostasiatischen Halbinsel.

Das Dokument beinhaltet sowohl den vom kommunistischen Norden geforderten Nichtangriffspakt wie auch Schritte über Wiederversöhnung, Austausch und Kooperation. Unterschriftsreif ist das Abkommnen aber noch längst nicht. Denn die dort genannten fünf Punkte müssen mit Inhalt gefüllt werden. Wird sich zum Beispiel die innerkoreanische Grenze für Reise-, Warenverkehr und Familienaustausch öffnen? Werden Störsender abmontiert und Fernseh- und Radioempfang aus dem jeweils anderen Teilstaat ermöglicht? Und schließlich: Welche konkreten militärischen Abrüstungsschritte sollen bei fast zwei Millionen Mann unter Waffen eingeleitet werden?

Ans wirklich Eingemachte will man in den kommenden Wochen bei Arbeitsgesprächen am innerkoreanischen Grenzort Panmunjom gehen. Bis zum fünften Treffen der koreanischen Regierungschefs vom 10. bis 13.Dezember in Seoul sollen Details ausgearbeitet sein. Skeptiker sind überzeugt: Eine neue Ära der Entspannung hat in Korea noch längst nicht begonnen.

Hauptstreitpunkt zwischen den tief verfeindeten Staaten ist die „atomare Frage“: Premier Chung forderte in Pjöngjang mehrfach Nordkorea auf, das Sicherheitsabkommnen zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Doch der Norden verlangte die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone auf der Halbinsel und den Abzug der im Süden stationierten amerikanischen Kernwaffen. Beide Seiten, so der nordkoreanische Regierungschef, müßten sich der internationalen Inspektion unterziehen.

Nukleare Abrüstung Koreas?

Daß die Forderung nach Denuklearisierung Koreas auch in den Gesprächen über den konkreten Inhalt des Nichtangriffspaktes wieder eine Rolle spielen wird, scheint sicher. Und damit würde der Dialog wieder in eine Sackgasse geraten. Pjöngjang könnte jedoch schon bald der Atem ausgehen.

US-Präsident Bush hat nämlich den Abzug boden- und luftgestützter Kernwaffen auch im Fernen Osten angekündigt. Nordkoreas Staatschef Kim Il Sung, berichteten Seouler Tageszeitungen kürzlich, wolle zum Zeitpunkt der Bush-Visite in Südkorea Ende November eine Erklärung abgeben. Sollte Pjöngjang dem Druck der Weltöffentlichkeit nachgeben und das Sicherheitsabkommen akzeptieren, dann wäre in Korea jedenfalls der Weg frei für den Beginn eines dauerhaften Entspannungsprozesses.