Überweisen Sie 248.006,18 Mark

Berlin (taz) — Über den grünen Klee hatten Bundesanwälte wie Politiker den reuigen RAF-Aussteiger gelobt. Mehr noch, man zeigte sich zutiefst beeindruckt von Werner Lotze, weil der sich im Verlauf wochenlanger Verhöre vor allem selbst nicht schonte: Den ahnungslosen Ermittlern gestand der Mann, der bis dahin lediglich der Teilnahme an einem Bankraub dringend verdächtig war, einen tödlichen Schuß auf einen Polizisten im Jahr 1978 und seine direkte Beteiligung am fehlgeschlagenen Anschlag auf den US-General Alexander Haig im Jahr 1979.

Dafür verurteilte das Oberste Bayerische Landesgericht Werner Lotze — trotz Anwendung der Kronzeugenregelung — dann auch zu zwölf Jahren.

Der Generalbundesanwalt und mit ihm Politiker jeglicher Couleur bejammerten wortreich das „falsche Signal“ und „sehr, sehr harte Urteil“.

Ein halbes Jahr später — der reuige Ex-Terrorist machte keine Schlagzeilen mehr — erreichte Lotze in seiner Zelle in Berlin-Moabit ein Einschreiben des Polizeipräsidenten Dortmund: „Betr.: Schadenersatzforderung des Landes Nordrhein- Westfalen“. Darin verlangt der Polizeipräsident jene „Dienst- und Versorgungsbezüge“ zurück, die bis heute an die Witwe des bei der Schießerei im September 1978 von Lotze und seinen Begleitern erschossenen Polizisten ausgezahlt wurden — insgesamt 248.006,19 DM. Zitat: „Ich fordere Sie auf, den Betrag mit beiliegendem Überweisungsträger bis zum 15.08.1991 an die Stadtkasse Dortmund zu überweisen“.

Immerhin, Johannes Raus Schuldeneintreibern schwant irgendwo, daß der Gefangene möglicherweise „nicht in der Lage“ sein könnte, „die Forderung innerhalb der gesetzten Frist in voller Höhe zu bezahlen“. In diesem Falle wären auch Ratenzahlungen möglich, schlagen die Beamten an ihren Schreibtischen großmütig vor. Mit einem Zinssatz in Höhe von 8,5 Prozent.

Werner Lotze hat den 15. August, wie man hört, verstreichen lassen. Bisher ist nicht bekannt, ob das Land Nordrhein-Westfalen — wie für diesen Fall angedroht — „ohne weitere Mitteilung das gerichtliche Mahn- und Vollstreckungsverfahren in Gang“ gesetzt hat. Und wir dürfen gespannt sein, wie Johannes Rau dieses (rechtlich vermutlich zulässige) Bubenstück seiner Unterlinge als „Signal zur Umkehr an die terroristische Szene“ verkauft. Gerd Rosenkranz