Gewalt im Suff und aus der Laune heraus

■ Die Frankfurter Polizei legte eine „Täteranalyse“ von Skinheads vor/ Nur wenige sind in rechtsradikalen Vereinigungen organisiert/ Zufall und Alkohol bestimmten die Gewalttat in Hochheim, wo zwei Italiener zusammengeschlagen wurden

Frankfurt (ap/taz) - Der Fall machte international Schlagzeilen: In der kleinen hessischen Gemeinde Hochheim überfielen am Abend des 4.Oktober junge Rechtsradikale zwei ältere Italiener. Sie schlugen die Männer so brutal zusammen, daß einer von ihnen fünf Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden mußte.

Die Tageszeitung 'La Repubblica‘ sprach von einer beispiellosen Jagd deutscher Neonazis auf italienische Staatsbürger, die seit Jahren in Deutschland leben.

Anfang dieser Woche erwischte die Polizei die beiden mutmaßlichen Täter; einer legte ein umfassendes Geständnis ab.

Der Hochheimer Fall zeigt nach Ansicht der Behörden geradezu exemplarisch, wie unberechenbar junge Rechtsradikale zuschlagen. In eine Art „Täteranalyse“ haben die Staatsschutz-Beamten ermittelt, daß deratige Gewalttaten meist spontan, aus einer Laune heraus und oft unter Einfluß von Alkohol begangen werden. Genau diese Faktoren kamen bei den Schlägern aus Hochheim zusammen: Nach Aussage des geständigen 23jährigen hatten sich die Rechtsradikalen kurz zuvor auf einer Arbeitsstelle kennengelernt, auf der sie nur vorübergehend beschäftigt waren. Beide pflegten Kontakte zur rechtsradikalen Szene. Gemeinsamkeiten ergaben sich offenbar schnell, und so reiste der 18jährige Kollege am Tag des Überfalls aus Burgdorf bei Hannover nach Hessen, um seinen neuen Kumpel zu besuchen. Sie besuchten Gesinnungsgenossen aus der rechtsradikalen Szene und ließen sich dort vollaufen. Danach wollten sie in eine Skinhead-Kneipe nach Wiesbaden fahren. Auf dem Weg trafen sie auf die beiden italienischen Bauarbeiter, die gerade von einem Ausflug nach Frankfurt zurückgekehrt waren. Spontan, völlig ohne Grund, so die Ermittler, fielen die jungen Männer über die beiden Ausländer her und richteten sie übel zu. Als wäre nichts geschehen, fuhren die Täter anschließend nach Wiesbaden.

Nachdem sie aus der Skinhead- Kneipe hinausgeworfen worden waren, zogen sie nach Mainz weiter, wo sie nach eigenen Angaben noch an einer Auseinandersetzung mit mehreren „Linken“ beteiligt waren.

Die Staatsschützer bewerten diesen Tathergang als geradezu typisch. Alkohol, Langeweile, Kontakte zur rechtsradikalen Szene, ohne allerdings fest organisiert zu sein, und eine akute Gewaltbereitschaft — ein explosives Gemisch, aus dem heraus die jungen Rechtsradikalen Jagd auf Ausländer machen. Die beiden Tatverdächtigen hätten zwar Kontakte zum Skinhead- und Hooligan-Milieu gehabt, gehörten aber keiner Organisation an.

Dieses diffuse Bild wird von der Statistik bestätigt: Von den 334 Personen, die in diesem Jahr bundesweit unter dem Verdacht ausländerfeindlicher Gewalttaten festgenommen wurden, konnten nur vier rechtsextremistischen Organisationen zugeordnet werden. 44 seien Skinheads gewesen, 286 hätten sich keiner konkreten Szene zuordnen lassen; sie verbinde allein ihre ausländerfeindliche Einstellung, berichtet Staatsschutz-Leiter Karl Metz. Den Boden für die meist jugendlichen Gewalttäter bereiteten „Stammtischideologen“ oder „Biertischfaschisten“, die Neid und Ängste um Wohnung oder Arbeitsplatz schürten, ebenso aber die rechtsradikalen Parteien wie Republikaner, Deutsche Volks-Union oder NPD.

Frankfurts Polizeipräsident Karlheinz Gemmer zog denn auch ein ernüchterndes Resümee: „Hier haben wir kaum eine Chance bei der Prävention.“ es