“Für mich ist Wein was total Lebendiges“

■ Sven Bennecke, Weinverkäufer, über seine ganz persönliche Beziehung zum Charakter-Wein

Vor zwanzig Jahren hat er seinen ersten Wein probiert, eine Kallstadter Kobnert Spätlese aus der Pfalz: „Da war ich ganz hin und weg weil der so schön süß war“. Heute ist Sven Bennecke (29) engagierter Weinverkäufer am Ostertorsteinweg, Herr über rund 500 verschiedene Jahrgänge. Und: stolzer Besitzer von 400 Flaschen „unheimlicher Raritäten“, die zu Hause gesammelt werden. Ein Berufs-Fanatiker wie sein Vater, ebenfalls Weinhändler.

Schon beim Betreten des Geschäftes werden die Nasenschleimhäute kräftig gekitzelt — die Luft ist neben süßlichem Traubenduft mit Harz- und Holzaroma getränkt. Zwischen Holzregalen und Papkartons, Weinflaschen aus aller Welt, steht er — roter Pulli, grüne Schürze — und freut sich, über den „richtigen Riecher“, der ihn selten im Stich läßt. „Es passiert mir oft, daß ein Wein 'ne Medaille kriegt und ich hab ihn schon“, lacht Sven Bennecke. Sein Geheimnis? Das komme wahrscheinlich daher, daß er schon seit Kindesbeinen eine ganz persönliche Beziehung zum Wein entwickelt habe.

„Für mich ist Wein was total Lebendiges“, sagt er später in der Sitzecke, wo sonst immer gefrühstückt wird, mit schwärmerischem Blick. Rechts und links hängen die teuren Sorten in Holzständern an der Wand, unter dem Tisch stehen 20 Probeflaschen. „Mit dem Wein ist das so wie mit einer Beziehung, es ist nie langweilig und er verändert sich von Jahr zu Jahr.“ Einige Sekunden später fügt Bennecke hinzu: „Er kann natürlich auch umkippen, die Beziehung kann zu Bruch gehen, aber das hängt auch von der Qualität des Weines ab.“

Wie man herausfindet, ob es sich um einen Qualitätswein mit Charakter handelt, das hat Sven Bennecke in seiner dreijährigen Ausbildung gelernt. Bei der Firma Eggers und Franke, in Heilbronn und der Weinsberger Kellerei erfuhr er wieviel Zucker, Säure, Schwefel oder Alkohol ein Wein enthalten darf und wie man seine einzelnen Bestandteile analysiert. Doch grau ist alle Theorie, findet der Weinhandelsküfer: „Das A und O ist — probieren, probieren, probieren.“ Nur so werden die Geschmacksnerven geschult und schnell das Wesentliche eines Jahrgangs erkannt. Das Kuriose: Viele seiner Kunden wählen instiktiv den Wein, der zu ihnen paßt. „Manchal ist das skuril, da kommen Leute und kaufen immer wieder den gleichen Wein. Die sehen dann fast genauso aus wie der Kellermeister“, sagt Sven Bennecke und kichert verschmitzt.

Was ihn damals gereizt hat, Weinhandelsküfer zu lernen, ist der „tiefe Einblick“ in Lagerung, Konservierung und Reifung des Weines. Obwohl: „Die Arbeit im Keller ist schon ein ziemlicher Dreckjob“, erzählt Sven Bennecke. „Man muß alles machen, vom Putzen der Tanks bis zum Auskratzen der Fässer.“

Doch die Begeisterung für süße Trauben ist geblieben. Mit leuchtenden Augen erzählt Sven Bennecke bei einer Weinprobe seine schier unerschöpflichen Geschichten von besonders guten Sorten, die er rein zufällig entdeckte, oder unerwarteten Erlebnissen mit seinen Köstlichkeiten. Da war zum Beispiel der '48er Chateau Mouton Rothschild, ein Rotwein. „Der war traumhaft schön, als wir ihn öffneten, voll auf dem Höhepunkt“, Bennecke verdreht verzückt die Augen, „und zwanzig Minuten später war der Wein kaputt.“ Der Grund: Nach dem Öffnen oxydiert der Wein und beginnt zu altern. In diesem Fall mit fatalen Folgen.

Kein Angst vor'm plötzlichen Altern muß man dagegen beim Rivaner Reinhessen haben, eine 90'er Spätlese, die Sven Bennecke besonders mag. „Hat der nicht'ne schöne Frucht in der Nase“, sagt er andächtig, fast verliebt, und schwenkt das langstielige Weinglas. Den Winzer, der den Tropfen auf drei Hektar anbaut, kennt Bennecke persönlich — einer, der mit Leib und Seele dabei sei, deshalb die gute Qualität. „Gucken Sie mal, selbst der Korken ist etwas Besonderes, nicht nachbehandelt.“ Er nimmt einen kleinen Schluck und schlürft durch die Zähne, damit der Wein „mit Luft konfrontiert“ wird. „Nur nur so kommmt der Charakter durch.“

Doch nicht jeder Wein paßt zu beliebiger Stunde. „Wenn ich abends einfach mal so ins Sofa sinken will, trinke ich einen Bordeaux und der Tag ist gelaufen“, sagt Bennecke und fletzt sich auf die Bank. Anders sei das beim Riesling. Schon bei dem Namen beginnt der Mund zu lächeln. „Riiiiiesling, der ist lebendig, frisch, fruchtig und belebt den Kreislauf“, Brennecke verzieht das Gesicht zu einem breiten Grinsen. Ganz anders der Burgunder, der habe etwas Andächiges, da könne man sich hinsetzen und philosophieren.

Doch wie interessant die Weinkunde auch ist, sie birgt auch Gefahren. 20 verschiedene Weinproben an so manchem Abend, sind schließlich kein Pappenstil. Wird man da nicht leicht zum Alkoholiker? Das Patentrezept von Sven Bennecke: Kleine Mengen trinken und zwei bis drei Mal im Jahr Karenszeiten mit Fasten. Birgit Ziegenhagen