Riga-Reisen geht ganz einfach

■ Aber der Wechselkurs macht West-Reisende zu Millionären in schwierigen Lagen

Glauben Sie nichts! Lassen Sie sich von der Sicherheits-Perspektive der Pauschal- und Intourist- Reisenden aus keine Bange machen! Nach Riga, der schönen bremischen Schwesterstadt an der Ostsee und Hauptstadt Lettlands, reist es sich inzwischen fast wie nach Holland — jedenfalls für BürgerInnen der Bundesrepublik. Vergessen Sie die Ratschläge, vor allem die Bedenken vor der Abfahrt: Was? In die baltischen Staaten? Mit dem Auto? fragen entsetzt die, die schon mal per Jet in Moskau oder Leningrad gelandet sind und schaudernd vor den furchtbaren Schlaglöchern in den städtischen Straßen gestanden haben. Statten Sie Ihren PKW mit einem Feuerlöscher aus! Nehmen Sie kanisterweise Benzin mit! Kalkulieren Sie Zeit ein für das Schlangestehen nach Benzin- Gutscheinen! Das rieten uns nicht ängstliche Großväter, sondern Bremer Reisebüros, nach einem Blick in einschlägige Reise-Heftchen. Alles Quatsch!

Es ist ohne weiteres möglich, auf Pauschal-Hotels und monatelange Voraus-Organisation zu verzichten und ins Blau-Grüne zu fahren, zum Beispiel mit dem Kleinbus. Unmöglich! Die Straßen sind so schlecht, daß Sie nur 30 km/h schaffen! Ausländer dürfen bestimmte Areale nicht verlassen! Alles Unsinn. Die Hauptstraßen außerhalb der Städte sind prima. Man kann auf jeder Landstraße, in jedes Dorf, an jeden See fahren, anhalten, Störche begucken. Benzin, eigentlich rationiert, gibt es an freien (und für LettInnen sehr teuren) Tankstellen ohne Schlangestehen, für DM sowieso überall.

Wer sich 105 Stundenkilometer statt 100 leistet, wird garantiert nach wenigen Kilometern von der Polizei erwischt und hat regelmäßig die Wahl zwischen „Protokoll, viel Ärger!“ in Rubeln oder einem deutschen Zehner ohne Protokoll. Beides ist interessant. Durch den für BundesbürgerInnen lächerlich und peinlich günstigen und für LettInnen mörderischen Wechselkurs zwischen Mark und Rubel sind alle Verhältnisse grotesk verschoben. Mahlzeiten, Hotels, Blumensträuße kosten absurd niedrige Pfennigbeträge. Aus der Falle, entweder mit den begehrten Devisen wichtig gemacht zu werden, oder mit Bündeln von Rubeln alles zu lächerlichen Preisen kaufen zu können, oder peinlich großzügig mehr auf den Tisch zu legen, gibt es kein Entkommen. Die Orientierung weg von der Sowjetunion und hin zum westlichen Ausland, besonders der BRD, führt zu einer überwältigenden Akzeptanz der West-BesucherInnen, die unverdient ist und verlegen macht.

Riga ist hanseatisch, hochgebaut wie Hamburg, erreichbar nach einer Fahrt durch endlose Wiesen und Felder und liegt an der schneeweißen Ostseeküste, der man die Gifte in der Rigaer Bucht wenig ansieht. Die Re-Privatisierung von Landwirtschaft und Betrieben geht allen viel zu langsam, das Interesse an Erfahrungen und Ideen ist riesig. Der deutsch-lettische Kulturverein zum Beispiel funktioniert wie eine Kontaktbörse. Man kann die MacherInnen der neugegründeten Umwelt-Zeitung (am Platz des Hotel Riga) besuchen und auf deutsch und englisch ganz viel hören und reden. S.P.

Buchtip: „Riga“ von Gisbert Mrozek, Temmen-Verlag. Ist interessant und stimmt.