: Schöner leben
■ Removed by chamber-maid * Über den wahren Kulturbeutel
Sie hätten jetzt vielleicht erwartet, daß hier heute über den Kulturbeutel nachgedacht wird. Doch spätestens seit Walter Benjamin wissen wir, daß Kultur nie da ist, wo wir sie vermuten. Sprechen wir also über den Hygiene-Beutel. Ein weißes, längliches Beutelchen, Format Baguette-Brötchen, kein Recycling-Papier. Der viersprachige Aufdruck „für Damenbinden“ ist in unserem Alter nicht mehr die Sensation. Aufregender ist die Farbe des Drucks: hell-saturnblau, die Farbe, die physikalisch und psychologisch dem Tiefrot des eventuellen Inhalts am fernsten ist. Zuoberst ein weißes Kreuz auf blauem Grund: Beschwörung von Tod und Verwesung? Nichts da, das Weiß des Lebens und der Freude (vgl. Osterritus der röm.kath.Kirche) steht hier für den Euphemismus der Unterleibs-Entsorgung unserer Kultur.
Wir kommen zu der überraschenden Erkenntnis, daß der Hygienebeutel der eigentliche Kulturbeutel ist. Sagt er doch — „In den Toiletten-Eimer werfen!“ — alles über eins unserer letzten großen Tabus, die Menstruation (vgl. Margaret Mead). Und verrät nebenbei noch, wo sich die Reste postfeudaler Männerphantasien verkrochen haben. Der Hersteller: „Will be removed by chamber-maid!“ Burkhard Straßmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen