Warme Erbsensuppe statt Solidarität

■ 1.500 Olympianer demonstrierten vor dem Bremer Daimler-Benz Werk / Grüße und Mittagessen

Udo Richter tobte. Der Vertrauenskörperleiter bei Daimler- Benz befestigte notdürftig mit tesa vier Fahnen der IG Metall vor dem Tor 7 der Daimler Benz AG, zwischendurch stieß er den Grund seines Unmutes durch die verkniffenen Lippen: „Keiner was gesagt...“, war da zu hören“, ... nichts gewußt...“

Was Richter nicht gewußt haben wollte, war die Ankunft von etwa 1.500 Kolleginnen und Kollegen des Olympia-Werkes Roffhausen bei Wilhelmshaven. Sie wollten vor den Toren der Daimler-Filiale gegen die geplante Schließung ihres Werkes demonstrieren. Gegen halb zehn morgens hatten sie sich im Autokonvoi auf den Weg gemacht, 450 Wagen etwa, die auf der Autobahn zu einer 15 Kilometer langen Schlange anwuchsen und gegen halb eins dann in Bremen beim Mercedes-Werk eintraf.

Alles war gut vorbereitet. Der Werksverkehr wurde umgeleitet, die Zufahrt gesperrt, Parkplätze in ausreichender Form standen zur Verfügung. Die Demonstration baute sich mit ihren Transparenten vor dem Tor auf, nahmen sich im –Olympia-Lied' den AEG- Chef Ernst-Georg Stöckl und den Daimler-Benz Vorsitzenden Edzard Reuter im fernen Stuttgart aufs Korn: 'Der Stöckl sagt : Tadap tadap 'n' duda, der Reuter sagt: Tadap tadap'n'duda'.

Und den schon berühmten Firmen-Sarg der Olympia hatten sie auch mitgebracht. Im Demonstrieren bekommen die Olympianer langsam Routine: Seit sie Anfang des Monats sogar vor der Stuttgarter Hauptzentrale bei Daimler protestiert haben, ist eine Distanz WilhelmshavenBremen vergleichsweise eine Spazierfahrt.

Die Olympia-Werke gehören zur AEG, die AEG gehört zu über achtzig Prozent Daimler-Benz. Olympia-Betriebsrat Ronald Smolawa sah sich also mit seinem Protest an der richtigen Adresse. „Wir sind gut genug, innerhalb des Daimler-Konzerns Zuliefer- Produkte zum Beispiel für Automobil zu machen“, stellte er sich vor. „In diesem Unternehmens verbund wird alles vom Föhn bis zur Rakete produziert, da wird doch auch etwas für uns drin sein.“ Der Daimler-Konzern mit seinen 1,8 Milliarden Mark Gewinn im letzten Jahr habe „für die gesamte Region die soziale Verantwortung.“ Und während vor Tor 7 des Bremer Daimler-Werkes noch Sanierungsprogramme gefordert wurden, sägte derweil der Aufsichtsrat der AEG die Olypianer ab (vgl. S.2). Die Forderungen der Belegschaft haben eine lange Tradition. Als der Daimler-Benz-Konzern vor fünf Jahren bei der AEG einstieg, hatte der damalige AEG-Chef Dürr eine Standort-Garantei für die Olympia-Werke in Roffhausen bei Wilhelmhaven gefordert.

Viel Publikum war der Demonstration nicht beschieden. Als die Frühschicht bei Daimler gerade ihre letzte Pause antrat und vereinzelt Werksangehörige an das Tor kamen, wunderten die sich doch sehr. Man habe erst gerade von der Aktion der Wilhelmshavener erfahren, beteuerten sie, und Vertrauenskörperleiter Richter sagte das Gleiche: „Man hat mich erst heute morgen angerufen, wir konnten nichts vorbereiten. Offensichtlich gibt es Menschen in diesem Betreib, die daran interessiert gewesen sind, diese Informationen nicht weiterzugeben.“

Vertrauenskörperleiter Richter gehört selbst zu ihnen. Bereits am Donnerstag morgen war er von seinem Wilhelmshavener Kollegen Smolawa telefonisch unterrichtet worden. Das bestätigte Smolawa gegenüber der taz. Wer da die Informationen unterdrückt hat, ist also klar. Und auch der Betriebsratsvorsitzende bei Daimler-Benz, Richard Helgen, wußte Beschied. Warum nichts vorbereitet gewesen war? „Dazu sage ich nichts.“

Seinen Wilhelmshavener Kolleginnen und Kollegen gegenüber trat Richter solidarisch auf: Mit den spontanen Aktionen, daß sei so eine Sache. Die Kollegen hätten Arbeitsverträge, die sie erfüllen müßten, an ebenso spontane Aktionen sei da nicht zu denken. „Die bescheidene Solidarität geben wir aber an Euch weiter“, versicherte Richter.

„Ein schwaches Bild“ bescheinigte die handvoll Betreibsangehöriger von Daimler seinem Betriebsrat. Als dann die Werksleitung noch eine Gulaschkanone mit Erbsensuppe auffuhr, war allen klar, daß bis auf die Belegschaft alle im Werk Bescheid gewußt hatten.

Markus Daschner