»Der Fall wird durch die Instanzen gehen«

■ Der Mitarbeiter des Landesarbeitsamtes, Stefan Walter, zum Prostituierten-Urteil des Sozialgerichts

Das Berliner Sozialgericht hat jetzt in einem aufsehenerregenden Urteil die Tätigkeit von Prostituierten im Sinne des Arbeitsförderungsgesetzes anerkannt (Siehe auch Seite 31). Dazu ein Gespräch mit einem Vertreter des Landesarbeitsamts, gegen das die Prostituierte K. geklagt hatte. Stefan Walter ist im Referat für Fortbildung und Umschulung tätig.

taz: Warum wird Prostitution im Arbeitsförderungsgesetz nicht als berufliche Tätigkeit anerkannt?

Stefan Walter: Weil nach Auffassung der Bundesanstalt für Arbeit als berufliche Tätigkeit im Sinne des 42 nur Zeiten im Sinne einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anerkannt werden. Demzufolge gehört Prostitution nicht dazu.

Aber selbst die Arbeit von Hausfrauen und Müttern mit Kindern und Au-pair-Mädchen im Ausland werden anerkannt.

Bei den Hausfrauen wurde zur Bedingung gemacht, daß sie entweder verheiratet sind oder, wenn sie ledig sind, mindestens ein Kind haben müssen, also jemanden versorgen. Die Singelin, wie man hier sagen müßte (lacht), fällt nicht darunter. Aber grundsätzlich muß ich noch einmal darauf aufmerksam machen, daß es sich hier um eine Versicherungsleistung handelt. Einen Anspruch auf Fortbildung und Umschulung gibt es nur für den, der auch entsprechende Arbeitslosenversicherungsbeiträge geleistet hat. Das ist bei Prostituierten in der Regel ja nicht der Fall, weil es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt. Bei der sogenannten wilden Prostitution sehe ich große Probleme, weil hier keine Steuern gezahlt werden, also im Grunde genommen schwarz gearbeitet wird, die Frau auf der anderen Seite aber die Zeiten als berufliche Tätigkeit anerkannt haben will.

Einige sind doch zur Schwarzarbeit gezwungen. Wenn sie melden würden, daß sie in einer Bar als Animierdamen angestellt sind, würde der Inhaber mittels Zuhälterparagraph belangt werden. In dem konkreten Fall war es aber so, daß die Frau eine Sozialversicherungspflicht aus einer anderen Tätigkeit nachweisen konnte.

Im konkreten Fall wurde der Frau die beitragspflichtige Tätigkeit erst durch das Arbeitsamt ermöglicht. Im Zusammenspiel mit dem Senat und Hydra kam man vor einigen Jahren überein, ausstiegswilligen Prostituierten zu helfen. Damals hat das Landesarbeitsamt ABM-Stellen zur Verfügung gestellt, um beitragspflichtige Tätigkeiten zu ermöglichen, um im Anschluß daran eine Fortbildung zu ermöglichen. So bekam die Klägerin einen Teil der beitragspflichtigen Tätigkeit zusammen. Da sie aber auch keine Ausbildung hatte, fiel sie als einzige der 50 ABM- Kräfte durch die Roste: nach den Gesetzen gab es keine Möglichkeit, die Klägerin zu fördern.

Das hat das Gericht jetzt mit seinem Urteil korrigiert.

Es legt die berufliche Tätigkeit im Sinne von Hydra aus. Ich stand ja mit Hydra in Kontakt, um letztlich auch den Prostituierten zu helfen, aber ich kann natürlich nicht von der Auffassung der Bundesanstalt abweichen, die das nicht so sieht.

Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wird die Bundesanstalt ihre Auffassung revidieren müssen, oder?

Grundsätzlich ist die Verwaltung an Einzelfallurteile nicht gebunden. Ich gehe davon aus, daß der Fall durch die Instanzen gehen wird.

Sollte Prostitution Ihrer Meinung nach als gesellschaftliche Arbeit anerkannt werden?

Es ist eine Dienstleistung, wenn man es als selbständige Tätigkeit betreibt und legalisiert. Prostitution hat es immer gegeben. Sie ist aus der Gesellschaft eigentlich nicht mehr wegzudenken. Interview: plu