Vom Joint zum Joint-venture

■ Kiffen in den Käffern des Ostens vor dem Fall der Mauer

Berlin. Der Begriff »Joint« gehörte in der damaligen DDR nicht zum gängigen sozialistischen Vokabular. Im ersten deutsch-deutschen Duden, dessen Wörterverzeichnis von Grund auf neu bearbeitet und erweitert wurde, taucht die »Zigarette, deren Tabak mit Haschisch oder Marihuana vermischt ist« nun auf. Da der Osten dem Westen in vielerlei Hinsicht, ob negativ oder positiv, »hinterherhinkte«, wurde auch das Kiffen erst mit dem Fall der Mauer ein Thema. Genauso wie Rassismus, Arbeitslosigkeit und sozialer Abstieg wurde das Kiffen offiziell überhaupt nicht wahrgenommen. Auch eine Art mit Problemen umzugehen. Drogen als solche waren natürlich verboten. Die Kenntnisse darüber entsprechend gering. Das Interesse aber bestimmt größer als in einem Land, wo Drogen an jeder Straßenecke zu bekommen sind. Nur Insider wußten mit dem Phänomen »geröteter Augen« etwas anzufangen. So war es auch ein Leichtes, einem »Freund und Helfer« der Volkspolizei mit roten Augen gegenüberzutreten, ohne befürchten zu müssen, unangenehmen Befragungen ausgesetzt zu werden. Es war sozusagen ein Spiel mit dem Feuer ohne Brandgefahr.

Trotz des allgemeinen Drogenverbotes und der theoretischen Unmöglichkeit, an »Stoff« heranzukommen, sah die Praxis natürlich anders aus. Da gab es die Diplomatenkreise, die in ihren Diplomatenköfferchen hin und wieder mehr als nur wichtige Dokumente in die DDR einführten. Ost-Berlin war durch seine Nähe zum Westteil der Stadt prädestiniert für eine »Drogenszene«, natürlich nicht zu vergleichen mit der im anderen Teil der Stadt. Aber immerhin. Wo immer man konnte, versuchte man, den sozialistischen Überstaat an der Nase herumzuführen.

Das Solidaritätsland DDR ermöglichte vielen Studenten aus befreundeten Ländern aus der ganzen Welt ein Studium an einer ihrer Universitäten. So verdanken einige DDR-Bürger ihren ersten Joint »hilfreichen« Studenten aus Südamerika oder Afghanistan (bekannt für seinen »Schwarzen«).

Es war im Osten schon etwas sensationelles, seine eigenen Graspflanzen im kleinen Schrebergarten heranzuziehen. Versteckt hinter großen Hecken wurden sie mit einer Sorgfalt und Liebe gehegt und gepflegt, die ihresgleichen suchte.

Durch die Wiedervereinigung ging zwar der »Reiz des Verbotenen« nicht verloren, doch so mancher DDR-Kiffer sah sich um seine wohlverdiente Ernte betrogen. Ein Westberliner Taxifahrer erzählte mir voller Stolz, wie er einige Wochen nach dem Fall der Mauer eine Erkundungsreise durch die Schrebergärten des Ostteils der Stadt unternahm und dabei fündig wurde. Im Schutz der Dunkelheit »mähte« er sämtliche Pflanzen ab, nicht einen Halm ließ er stehen. Ohne Einmischung der Treuhand kam es zu einem unfreiwilligen »Joint-venture«, und wieder war es ein Ossi, der auf der Strecke blieb. wahn