Wenn was passiert, biste selber schuld

■ Der Radkasten (3): Mit Lizenz und Helmpflicht soll radelnden Verkehrsrowdys beigekommen werden

Helme! Helme! Wer sich beschwingt bis offensiv mit Geschmeidigkeit und Selbstbewußtsein einem Pedalritter gleich durch das tägliche Verkehrsgetümmel schlägt, hat wahrscheinlich schon einen. Wer dem Motto: »Wo die Angst ist, geht der Weg lang«, folgt, hat vermutlich auch schon einen. Und dazwischen stehen die recht großen Fraktionen ER/CD und WNWLV.

Die Easy-Rider/Carpe-Diem- Fraktion genießt ohne Auf- und Ausrüstung. Aufsteigen, losfahren und »fuckoff, wennste mir an den Karren fahren, pardon ans Bike pissen willst!« Jene Sorte RadlerInnen will ihre Spielwiese erhalten wissen.

Die Leute der Wer-sich-nicht- wehrt-lebt-verkehrt-Fraktion sind verwandt mit ER/CD, nur sehen sie alles verbissener. Sie lassen es zu Streitigkeiten mit AutofahrerInnen und Behörden kommen und haben daher stets eine vorschriftsmäßige Beleuchtungsanlage.

»Alles was Recht ist!« rufen beide aus und lassen die Helme ungerührt in den Regalen der Fahrradläden liegen. Die wehrhaften RadlerInnen bemühen freiheitliche Verkehrstheorien als Argument gegen ein Helmpflicht-Gesetz. Die Täter (Autos) haben sich gefälligst nach den Opfern zu richten und sollen nur noch langsam oder gar nicht mehr fahren. Die ER/CD-Fraktion kümmert sich eh nicht um Gesetze, da sie selbst das Gesetz sind.

Nun, wir RadlerInnen sind ein äußerst heterogener Haufen. Und es ist für uns gerade die individuelle Freiheit, von eigener (Muskel-)Energie erstrampelt, die uns auf diese Bewegungsmaschine bringt. Daß wir uns daher nicht in Normen und Vorschriften pressen lassen wollen, folgt daraus ebenso wie die ständigen Bemühungen des Staates, die Kontrolle über jenes Individualistentum zu erlangen.

Wen nun haben deutsche PolitikerInnen vor Augen, wenn sie ihre Gesetzesvorlagen vorstellen? Ins Sommerloch plaziert war der Vorschlag, Velos mit polizeilichen Kennzeichen zu versehen, zur leichteren Verfolgung von Verkehrssündern. Dies eher ein Lacherfolg als ein ernst zu nehmender Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Nun das Neueste: Kinder dürfen nur noch behelmt radeln. KäuferInnen von Rädern sollen künftig eine Fahrerlaubnis vorweisen. Für alle ohne Motorfahrzeug-Führerschein wird ein Fahrrad-Führerschein zur Pflicht. Alles dies zu unserer Sicherheit?

Es ist immerhin der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages, der diese Vorschläge macht. Es scheint allerdings, er wolle mit der Ungeheuerlichkeit eines Fahrrad-Führerscheins den Weg für eine dann nicht mehr so ungeheuerliche Helmpflicht ebnen. Eine widerliche Art, einem schon längst gängigen Trend noch eins draufzusetzen. Denn bereits jetzt benutzt rund ein Drittel der radelnden Bevölkerung diesen Sturzdämpfer.

Diesem einen Drittel ein weiteres hinzuzufügen könnte die Aufgabe einer deutschen staatlichen Aufklärungsarbeit sein. Der ADFC oder auch die AOK habenbeispielsweise schon vorgemacht, wie so etwas geht, aber nein, der Staat geht altväterlich mit der Gesetzesrute vor.

Der Verkehrsausschuß kämpft gegen das Phantom des unbelehrbaren Verkehrsrowdys, den man zwingen muß, der ADFC wendet sich an die RadlerInnen als autonome, selbstbewußt denkende Menschen. Einen Helm zu tragen muß eine freiwillige Entscheidung bleiben, sonst werden aus Opfern wieder Täter gemacht, in dem Doppelsinn des Satzes: Wenn was passiert, biste selber schuld. Der Ulle

Zu praxisbezogenen Helmfragen — Kauf, Prüfnormen, Preise — in der nächsten Woche