Koalitionsstreit um Justizpolitik

■ Flucht von Strafgefangenen Anlaß zur Schelte der CDU an Justizsenatorin

Berlin. Nach Verkehrsenator Herwig Haase (CDU) ist nun mit Justizsenatorin Jutta Limbach ein sozialdemokratisches Mitglied der Landesregierung ins Schußfeld des Koalitionspartner geraten. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus kritisierte gestern, daß seit Jahresbeginn 500 Strafgefangene aus dem offenen Vollzug oder bei Vollzugslockerungen geflohen sind. Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Andreas Gram, sprach von Praktiken, die sich unter Rot-Grün eingeschlichen hätten, und forderte eine Verschärfung der Zugangskriterien zum offenen Vollzug. Limbach wies die Kritik als unberechtigt zurück. Die Vollzugslockerungen würden nach Vorschriften erfolgen, die bereits von einem ihrer Vorgänger, Hermann Oxfort, 1983 erlassen wurden. Zudem würde jeder vor seiner Verlegung in der offenen Vollzug auf seine Eignung überprüft. Limbach legte eine Statistik der Fälle von Entweichungen aus dem Strafvollzug vor. Berlin liegt im bundesdeutschen Ländervergleich auf Rang sieben.

Limbach berichtete von der erneuten Flucht eines Gefangenen. Ein Untersuchungshäftling war in der Nacht zum Freitag bei einer Rückführung vom Krankenhaus Moabit den Wärtern entwischt. Der Mann wird des Raubes beschuldigt. Bereits vor einer Woche war ein Strafgefangener bei einem Ausgang entwichen. Frau Limbach sprach von einem »skandalösen Fall« und von einem Versagen der begleitenden Vollzugsbeamten. Gegen diese wurden bereits disziplinarische Ermittlungen eingeleitet. Persönliche Konsequenzen lehnt die Senatorin ab. Sie würde zurücktreten, wenn die Vorkommnisse auf ihre politischen Vorgaben zurückzuführen seien. Sie wolle auch nicht ihre Vollzugspraxis grundlegend ändern. Gerade jetzt sei es wichtig, »nicht die große Flatter zu bekommen«. Auf die Kritik der CDU-Fraktion angesprochen, äußerte Frau Limbach »Verständnis, daß sie Schwierigkeiten in der Außendarstellung« hat. Doch auch der Senat habe es versäumt, sich geschlossen darzustellen. dr