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■ Brillanter Essay * "Djibouti", 25.10., 20 Uhr, West 3

Wann immer irgendein vergessener Landstrich unerwartet in die Schlagzeilen gerät, werden Reporter von ihren Redaktionen in entlegene Länder geschickt, um dort in ein, zwei Tagen mal eben einen aktuellen Bericht zu drehen. Und so sehen ihre Reportagen dann häufig auch aus.

Vor diesem Hintergrund des rasenden Reportertums war Michael Mraktischs Film über die ehemalige französische Kolonie in Ost-Afrika so etwas wie die Wiederentdeckung der Langsamkeit im Fernsehjournalismus, eine in jeder Hinsicht rühmliche Ausnahme. Und das nicht nur, weil Djibouti im Interesse der Weltöffentlichkeit derzeit unter „ferner liefen“ rangiert.

Statt ein paar fahrige Informationen über Land und Leute mit blödsinnigem Vor- und Zurückgezoome auf pittoreskes Elend, hatte sich hier einer Zeit genommen, sich auf das Fremde einzulassen. In ruhigen Einstellungen mit extremen Brennweiten und einem sparsamen aber pointierten Kommentar, fernab von jeder Geschwätzigkeit, zeichnete Mraktisch nicht nur das bedrückende Bild einer Retorten-Stadt ohne eigene Geschichte und Zukunft, sondern warf darüber hinaus auch ein erhellendes Licht auf allgemein verbreitete Formen und Konsequenzen eines „zeitgemäßen“ Kolonialismus. Und ganz und gar Fernseh-untypisch stellte er bei seiner Spurensuche nach dem Gedächtnis dieser Stadt die Poesie als gleichrangig neben jene „Fakten“ und Daten, die ohnehin weniger über die Wirklichkeit aussagen, als über die jeweilige Macht, die in ihnen die Ereignisse in ihrem Intersse zu objektivieren versucht.

Und doch verfiel dieser Film-Essay bei aller engagierten Anklage nicht in jene plumpe Kumpanei mit den Unterdrückten, der sich rasende Informations-Touristen so gern befleißigen. Fernab jener wohlfeilen Solidaritätserklärungen war es eine jener seltenen gelungenen Gratwanderungen zwischen Distanz und Nähe, die das Fremde zu erhellen vermögen, ohne es gleich als das Eigene, schon immer Bekannte, in Beschlag nehmen. Reinhard Lüke