KANARIENVÖGEL UND TOURISTEN... findet man auf den Kanarischen Inseln, wo denn sonst? Einmal um die ganze Welt mit dem ersten Kinderglobus mit detailgetreuen Illustrationen

...findet man auf den Kanarischen Inseln, wo denn sonst? Einmal um die ganze Welt mit dem ersten Kinderglobus mit detailgetreuen Illustrationen.

VONEDITHKRESTA

Als der Nürnberger Seefahrer und Kaufmann Martin Behaim 1492 — just in dem Jahr, als Kolumbus Amerika für Europa endeckte — den ersten Erdglobus baute, gab es noch zahlreiche Terra incognita und in der Phantasie Platz für See- und sonstige sagenhafte Ungeheuer. Im Zeitalter des Massentourismus gibt es kaum noch unerschlossene Flecken auf der Erde, und selbst Kindern weht oft schon frühzeitig der Duft der großen weiten Welt von Gomera bis Kathmandu um die Nase. Rechtzeitig zum Jubeljahr 1992 kam nun der weltweit erste Kinderglobus auf den Markt. Mit Förderung des World Wild Life Found (WWF) wurde dieses Projekt in Zusammenarbeit des Ravensburger Buchverlags und des kartographischen JRO-Verlags München realisiert.

Ein Qualitätsglobus, der mit detailgetreuen Illustrationen überzogen ist, die landestypisches zu Flora, Fauna und Kultur darstellen: eine Indiofrau in den Anden, der vom Aussterben bedrohte Pandabär in China, die Ölpalme in Westafrika, der Kanarienvogel und fotografierende Touristen auf den Kanarischen Inseln, ein Straßenverkehrsschild in der nordafrikanischen Wüste, das „Vorsicht Kamel“ signalisiert, und auch das Brandenburger Tor in Berlin und der Pariser Eiffelturm fehlen nicht. 406 farbige Abbildungen auf 33cm im Durchmesser, die neugierig machen. In unbeleuchtetem Zustand zeigt der Kinderglobus die Erde und ihre geographischen Formationen in plastischer Darstellung. Wird er beleuchtet, sind die politischen Grenzen, Ländernamen, Meerestiefen und Strömungen zu erkennen.

Jedes Kind weiß heute, daß Seeungeheuer und Drachen in Märchen und Sagen, Dinosaurier höchstenfalls in Museen und Parkanlagen gehören. Aber es weiß nur bedingt, daß es der Blauwal, zumindest von der Größe her, mit dem Dinosaurier allemal aufnehmen kann. Ein Begleitheft zum Kinderglobus mit kurzen Erklärungen zu den abgebildeten, numerierten Vignetten von Menschen, Tieren, Pflanzen und Wahrzeichen macht den Globus erst wirklich begreifbar. Der im Pazifik beheimatete Blauwal wird darin so beschrieben: „Der Blauwal ist das größte Tier, das je gelebt hat. Er wird bis zu 30 Meter lang und ernährt sich von nichts anderem als von Plankton. Auch diesem Riesen stellen Walfänger derart nach, daß er mittlerweile sehr selten geworden ist. Man befürchtet sogar, daß die Tiere in absehbarer Zeit aussterben werden.“ Die Erde ist vielfältig, doch diese Vielfalt ist enorm bedroht. Im Anhang des Begleitheftes wird eine Auswahl von stark und potentiell gefährdeten Tierarten aufgeführt. Den Produzenten des Globus geht es auch darum, den vernetzten Zusammenhang und die wachsende Bedrohung von Flora, Fauna und Kulturen aufzuzeigen. So „tanzen die Schlammtänzer in Neuguinea heute nur noch für Touristen...“, und auch der starke Bison fristet sein Dasein im Nationalpark: „Der Bison hat in der amerikanischen Geschichte ein trauriges Schicksal. Mitte des letzten Jahrhunderts zogen noch Millionen dieser gewaltigen Wildrinder über die Prärien. Die nach Westen drängenden Weißen machten sich einen Spaß daraus, die Herden abzuschießen, unter anderem auch, um den Prärieindianern die Nahrungsgrundlage zu nehmen. Zu armseliger Berühmtheit brachte es damals Buffalo Bill.“ So wird ein Held aus Kinderbüchern kurz und bündig aus dem Sattel gekippt. Etwas sehr bündig, denn wohl kaum ein Kind wird sich mit dieser lakonischen Erklärung zufrieden geben. Das dünne Begleitheft zum Globus, so notwenig es ist und dem Ganzen überhaupt erst Sinn verleiht, ist leider etwas dürftig: Zwar reißt es Erklärungen mit einer kritisch-ökologischen Stoßrichtung an, aber diese sind sehr nachfragebedürftig. Auf viele „Warums“ müssen sie sich also schon einstellen, wenn sie sich und ihrem Kind den Globus für 198.—DM leisten. Aber vielleicht wollten sie ja schon immer mehr über Buffalo Bill wissen, oder ihrem Kind genaueres über die auch uns betreffenden Lebensverhältnisse der Menschen in Osteuropa erzählen, die „noch ganz anders leben, als wir es gewohnt sind. Vielen fehlt es an selbstverständlichen Dingen, wie Obst, Fleisch oder Schuhen, und oft müssen sie stundenlang vor den wenigen Läden Schlange stehen. Mittlerweile bemühen sich die Regierungen, Anschluß an westlichen Standard zu finden.“ So die Erklärung zu dem bäuerlich-ärmlichen Paar zwischen Warschau und Kischinjow eingezeichnet. Nicht nur Kinder werden dazu mehr Fragen haben.

Aber Neugierde soll der Globus ja wecken, und so können Eltern und Kind gemeinsam Geographie und Umweltbewußtsein schulen und die Welt entdecken. Nicht allein die vernetzten Zusammenhänge unserer bedrohten Umwelt, sondern auch schlicht Angenehmes, wie die sportlichen Wellenreiter vor Hawaii, „wo das Wellenreiten erfunden wurde ... und gewaltige Wogen des Pazifiks oft meterhoch gegen den Strand donnern“, oder die schöne, bauchfreie Polynesierin im Baströckchen: „... Sie sind fröhliche Menschen, und durch Überfluß an Nahrung mußten sie nie viel arbeiten. Die Frauen sind für ihre Schönheit berühmt, und schon der Maler Paul Gaugin hielt sie um die Jahrhundertwende auf seinen Bildern fest.“ Neben bedrohten Tier- und Pflanzenarten ein bißchen exotisches Idyll schadet der pädagogischen Zielsetzung wohl kaum. Und auch ohne diese ist der Kinderglobus einfach wunderschön zum Sehen und Entdecken.