Bier als Gage für Skins

■ Rias-TV und RTLplus provozierten Angriffe auf Ausländer im Ostberliner Stadtteil Marzahn

Berlin (taz) — Die knappe Meldung klang ziemlich harmlos. „Dreharbeiten von Rias-TV für eine Serie über in Berlin lebende Ausländer drohten im Bezirk Marzahn zu eskalieren.“ Was die Nachricht verschwieg: Die Dreharbeiten des Fernsehteams in dem Ostberliner Stadtteil am vorletzten Freitag drohten nicht nur zu eskalieren, sie eskalierten tatsächlich. Etwa 15 Marzahner Skinheads waren abends gegen halb acht grölend vor ein Wohnhaus gezogen, in dem jüdische Einwanderer leben. Die Skins versuchten, das Wohnheim zu stürmen. Fensterscheiben gingen zu Bruch, die Pförtnerin erlitt einen Schock.

Jetzt erheben Sozialarbeiter und Streetworker schwere Vorwürfe gegen Rias-TV: Wenn das Filmteam nicht gedreht hätte, wäre es gar nicht erst zu diesem Überfall gekommen. Außerdem sei den Skins sogar eine „Gage“ und deren Bier-Rechnung gezahlt worden. In der Tat hatte der Fernsehsender die Jugendlichen für Aufnahmen verpflichtet. Die Filmaufnahmen, erklärte Wolfgang Klinger, Leiter der Rias-Fernsehdirektion, seien Bestandteil der Serie Ich bin ein Berliner. Mit dieser Serie wolle man ein Zeichen setzen gegen die Ausländerfeindlichkeit; die Aufnahmen mit den Skins seien als „bewußtes Gegenstück“ geplant gewesen. Klinger stritt vehement ab, was die Skins immer wieder behaupten. Eine Gage sei ihnen nicht gezahlt worden. Der Fernsehdirektor gab jedoch zu, daß Rias-TV die Getränke der Skins gezahlt hat.

Nach Zeugenaussagen soll das Rias-Team auch die ersten Minuten der Attacke aufs Wohnheim gefilmt haben — Klinger bestätigte das. Aber: „Die Bilder sind nicht verwertbar, weil verwackelt.“ Rias hat sich inzwischen dazu durchgerungen, den Film nicht zu senden. Die Ausländerbeauftragte von Marzahn, Elena Marburg, ist „empört“: „Es ist einfach pervers, Skins für Filmaufnahmen zu verpflichten und ihnen auch noch das Bier zu bezahlen.“ Zu sehen waren die Skins dagegen in RTLplus. Einen Tag nach den Rias-Aufnahmen hat ein Team mit denselben Jugendlichen einen Film gedreht, der letzten Dienstag ausgestrahlt wurde. Auch diesmal durften sich Skins auf Kosten eines Fernsehsenders mit Bier besaufen, und auch diesmal kam es zu einem Eklat: Die Skins attackierten — vor laufender Kamera — ein Wohnheim, in dem Vietnamesen leben. T. Schmitz